Künstliche Intelligenz kann eine der häufigsten Formen von Blutkrebs – die Akute Myeloische Leukämie (AML) – mit hoher Zuverlässigkeit erkennen. Das haben Forschende des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankung (DZNE) und der Universität Bonn im Rahmen einer Machbarkeitsstudie nun nachgewiesen. Ihr Ansatz beruht auf der Analyse der Genaktivität von Zellen, die im Blut vorkommen. In der Praxis eingesetzt, könnte dieses Verfahren herkömmliche Diagnosemethoden unterstützen und den Therapiebeginn möglicherweise beschleunigen. Die Forschungsergebnisse sind im Fachjournal „iScience“ veröffentlicht.
Künstliche Intelligenz ist in der Medizin ein vieldiskutiertes Thema, insbesondere im Bereich der Diagnostik. „Wir wollten die Potentiale an einem konkreten Beispiel untersuchen“, erläutert Prof. Joachim Schultze, Forschungsgruppenleiter am DZNE und Leiter der Abteilung Genomik und Immunoregulation am LIMES-Institut der Universität Bonn.
Schultze und Kollegen ging es dabei um das „Transkriptom“: einer Art Fingerabdruck der Genaktivität. Denn in jeder Körperzelle sind je nach deren Zustand immer nur bestimmte Gene „eingeschaltet“, was sich im Profil der Genaktivität widerspiegelt. Genau solche Daten – sie stammten von Zellen aus Blutproben und umfassten tausende von Genen – wurden im Rahmen der aktuellen Studie untersucht.
In der aktuellen Studie stand die AML im Fokus. Ohne adäquate Behandlung führt diese Form der Leukämie innerhalb von Wochen zum Tode. Die AML geht einher mit der Vermehrung krankhaft veränderter Knochenmarkszellen, die letztlich ins Blut gelangen können. Dort treiben dann gesunde Zellen und Tumorzellen, deren Gene jeweils typische Aktivitätsmuster aufweisen. Alle diese Aktivitätsprofile gingen in die Analyse ein. Messdaten von mehr als 12.000 Blutproben – diese stammten aus 105 verschiedenen Studien – wurden dabei berücksichtigt: der bislang größte Datensatz für eine Metastudie über AML. Rund 4.100 dieser Blutproben kamen von Personen mit AML-Diagnose, die übrigen von Personen mit anderen Erkrankungen oder von Personen, die als gesund eingestuft worden waren.
Die Wissenschaftler fütterten ihre Algorithmen mit Teilen dieses Datensatzes. Zum Input gehörte, welche Proben von AML-Patienten stammten und welche nicht. „Die Algorithmen suchten dann im Transkriptom nach krankheitstypischen Mustern. Das ist ein Prozess der weitgehend automatisiert ablief. Man spricht von maschinellem Lernen“, sagt Schultze. Mit der so erworbenen Mustererkennung wurden dann weitere Daten von den Algorithmen analysiert und klassifiziert, also eingeteilt in Proben mit AML und ohne AML. „Uns war die Zuordnung, so wie sie in den Originaldaten verzeichnet war, natürlich bekannt, der Software jedoch nicht. Insofern konnten wir die Trefferquote überprüfen. Diese lag bei einigen Verfahren oberhalb von 99 Prozent.“
In der Praxis eingesetzt, könnte dieses Verfahren herkömmliche Diagnosemethoden unterstützen und helfen, Kosten zu sparen, meint der Bonner Wissenschaftler. „Prinzipiell könnte eine Blutprobe ausreichen, die der Hausarzt entnimmt und zur Analyse an ein Labor weiterleitet. Ich würde schätzen, dass die Kosten unterhalb von 50 Euro liegen.“
„Mit einem Bluttest, so wie er auf der Grundlage unserer Studie möglich scheint, wäre es denkbar, dass bereits der Hausarzt einen Verdacht auf AML abklärt. Und wenn sich dieser erhärtet, an einen Spezialisten überweist. Die Diagnose würde dann möglicherweise früher erfolgen als bisher und die Therapie könnte früher beginnen.“
Quelle: Gemeinsame Pressemitteilung des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen und der Universität Bonn, 20. Dezember 2019 (gekürzt)