Von allen medizinischen Fachgebieten gelten Psychiatrie und Psychotherapie als besonders geeignet für Online-Interventionen. Das hat mehrere Gründe: Die Wartezeiten für eine Therapie in Deutschland sind zur Zeit schier endlos, schnelle Intervention aber oft der einzige Weg, eine weitere Eskalation zu verhindern. Und: Psychisch Kranke sind oft wenig kommunikativ und schätzen die Anonymität der Online-Beratung.
Suchtkranke gelten selbst innerhalb der ohnehin schwierigen Klientel als Untergruppe mit hohem Frustpotenzial. Die Kooperationsbereitschaft ist oft gering, die Rückfallquote hoch. Eine Untersuchung der Yale-Universität hat jetzt gezeigt, dass eine onlinebasierte Therapie für Suchtkranke möglicherweise mehr Erfolgsaussichten hat als eine persönliche Psychotherapie. Publiziert wurde die Arbeit im American Journal of Psychiatry. Die rund 140 Teilnehmer – Männeranteil 75% – waren allesamt Patienten mit schwerer Marihuana-, Kokain- oder Alkoholabhängigkeit. Jeweils ein Drittel wurde mit einen von zwei computerbasierten Trainingsprogrammen behandelt, die Teilnehmer der Kontrollgruppe zu wöchentlichen Gruppen- oder Einzelsitzungen eingeladen.
Die Adhärenz war in der Gruppe mit persönlicher Betreuung am geringsten. Im Schnitt wurden nur vier Sitzungen wahrgenommen, während die Teilnehmer mit Onlinetraining knapp sieben Computersitzungen absolvierten. Auch beim primären Endpunkt, dem wöchentlichen Drogenkonsum, schnitten die Online-Teilnehmer besser ab als die Kontrollgruppe. Der Konsum ging von 3,7-mal pro Woche auf 1,7-mal zurück (minus 2,0), in der Kontrollgruppe lediglich von 3,3- auf 2,5-mal (minus 0,8). Auch wenn die Ergebnisse sicher unter dem Licht der speziellen Klientel betrachtet werden müssen, unterstreichen sie das große Potenzial der computerbestützten Beratung in der medizinischen Therapie. Wieder einmal.