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Künstliche Intelligenz in der Psychiatrie

30. November 2023

Seit gestern findet in Berlin der Kongress der DGPPN statt – der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie. Und heute war das Präsidentensymposium. DGPPN-Präsident Prof. Andreas Meyer-Lindenberg hatte sich dazu ein sehr spannendes Thema ausgesucht, das in seinen verschiedenen Facetten beleuchtet wurde: KI und Psychiatrie.

Drei Aspekte möchte ich gerne herausgreifen. Aspekt 1: KI in der psychiatrischen Neurobildgebung. Prof. Kerstin Ritter zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie aufgrund von strukturellen und funktionellen MRT-Daten des Gehirns Rückschlüsse auf den Patienten gezogen werden können. Schon mit relativ wenigen Trainingsdaten kann die KI anschließend Alter und Geschlecht eines Patienten nur auf Basis eines MRT bestimmen. Mit viel mehr Trainingsdaten sind Aussagen auch zu vielen psychiatrischen Indikationen möglich.

Die aktuellen Studien dazu laufen noch, Ritter stellte aber bereits retrospektive Daten vor, die auf Basis der britischen UK Biobank-Kohorte erstellt wurden. Und dort konnte die KI auch Aussagen zu Indikationen wie Depression sowie Nikotin- oder Alkoholabusus auf Basis eines MRT stellen – mit einer Genauigkeit bis zu 78%. Und selbst für Lebensstil-Fragen wie körperliche Aktivität oder Fernsehkonsum gaben funktionelle MRT zumindest gute Hinweise. Mehr darüber unter www.ki-campus.org.

Aspekt 2: Verbesserung der mentalen Gesundheit bei jungen Menschen mithilfe einer App. Zwar ist die Zahl der Apps dazu in den App-Stores von Apple und Google sechsstellig, aber die Evidenz geht gegen Null. Die Arbeitsgruppe von Prof. Ulrich Reininghaus am Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim (ZI) geht da einen anderen Weg mit der App AI4U. Die App für den Umgang mit Gefühlen wird in einem „Reallabor“ mit Betroffenen und Betreuern entwickelt und wissenschaftlich untersucht und weiterentwickelt

Basis der App sind tägliche Stimmungsabfragen für Mood-Tracking und personalisiertes Feedback sowie Kurz-Übungen, die Betroffene im Alltag durchführen können. Durch KI-Methoden soll sichergestellt werden, dass die jeweiligen Hinweise individuell auf die Patienten zugeschnitten sind. Mehr unter www.ai4u-training.de.

Was ist von Chatbots in der Psychotherapie zu halten und welche Entwicklungen sind hier abzusehen? Diesem Aspekt 3 ging Prof. Harald Baumeister nach. Anhand einer unterhaltsamen Konversation mit ChatGPT zeigte er, dass dieser Bot für die psychotherapeutische Arbeit aktuell völlig ungeeignet ist. Aber auch spezialisierte Bots wie Wysa oder Woebot sind noch zu fehlerbehaftet für einen Einsatz in kritischen Situationen, so Baumeister.

Das Problem aus seiner Sicht heißt Overtrust. Man glaubt dem Bot, weil alles so gut klingt, was er schreibt oder sagt. Er ist aber verhalten optimistisch, dass sich die Bot-Qualität schon bald verbessert. Denn Open Source-Software und eine große Science-Community sorgen dafür, dass zunehmend auch mehr Expertenwissen einfließt. Etwa indem die Antworten des Bots von menschlichen Experten „geratet“ werden und diese Bewertung dann für zukünftige Antworten berücksichtigt wird. Und indem der Nutzer sich in VR- oder AR-Anwendungen das passende Ambiente und den passenden „Therapeuten-Avatar“ für seine Therapiestunde auswählt.

Eins machte das Präsidentensymposium jedenfalls klar: Für die besonders komplexen Fragestellungen der Psychiatrie ist die besonders komplexe KI ein wichtiges Tool.

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