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Centaur: Wie vorhersagbar ist menschliches Denken?

05. Juli 2025

Ein Nature-Paper aus der letzten Woche beschreibt ein KI-System, das menschliches Verhalten vorhersagen kann. Ein Meilenstein für die Neurowissenschaften und die Psychologie?

Seit Langem ist es ein zentrales Ziel in der Psychologie, eine vereinheitlichte Kognitionstheorie zu etablieren. Derzeit sind die meisten Rechenmodelle jedoch auf bestimmte Bereiche spezialisiert. AlphaGo schlägt den menschlichen Weltmeister im Go locker – kann ansonsten aber nichts. Prospect Theory erklärt Entscheidungsprozesse, ist bei Themen wie Lernen oder Planung aber auch außen vor. Alles „one trick ponies“.

Um menschliches Denken in seiner Gesamtheit zu erfassen, braucht es einen integrierten Ansatz. Und hier wurde letzte Woche ein spannendes Paper in Nature veröffentlicht (Link): Centaur ist ein KI-Modell, das menschliches Verhalten in einer Vielzahl von Szenarien vorhersagen und simulieren kann.

Basis für Centaur ist Llama 3.1 70B, ein Large Language Model (LLM) von Meta AI. Die Forschenden haben dieses Modell mit einer Technik namens Quantized Low-Rank Adaptation (QLoRA) feinabgestimmt. Das Herzstück der Trainingsdaten ist Psych-101, ein gigantischer Datensatz mit trial-by-trial-Daten aus 160 psychologischen Experimenten mit 60.000 Teilnehmenden und über 10.000.000 Einzelentscheidungen.

Die Ergebnisse der Studien zu Centaur zeigen seine Fähigkeit zur Generalisierung auf mehreren Ebenen. So übertrifft Centaur bestehende kognitive Modelle bei der Vorhersage des Verhaltens von Probanden, die nicht Teil der Trainingsdaten waren. Centaur konnte auch bei strukturell modifizierten Aufgaben menschliches Verhalten erfassen, selbst wenn Psych-101 diese spezifische Version nicht enthielt.

Obwohl Centaur nur darauf trainiert wurde, menschliches Verhalten zu reproduzieren, zeigten seine internen Repräsentationen eine zunehmende Übereinstimmung mit der menschlichen neuronalen Aktivität, gemessen durch fMRI-Scans. Das könnte auf eine tiefere, biologisch plausible Verarbeitung im Modell hinweisen, finden die Autoren. Ein paar Reaktionen auf die Veröffentlichung hat Heise online zusammengetragen (Link).

Was das bedeuten könnte? Wer weiß … Centaur zeigt jedenfalls, dass datengesteuerte Modelle durchaus das Potenzial haben, die Lücke zwischen spezialisierten Theorien und dem komplexen menschlichen Gehirn und Verhalten zu schließen. Welchen Einfluss das auf die Forschung in den Neurowissenschaften und der Psychologie haben kann, ist aktuell kaum abzuschätzen.

Text: Reinhard Merz
Bild: chatGPT für arztCME

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