Transplantationsinfektiologie: Update Herpesvirusinfektionen nach Tx

Zertifiziert in D, A bis 17.09.2025, 4 CME-Punkt(e)

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Die Herpesvirus-Familie umfasst acht menschliche Herpesviren, von denen Cytomegalievirus (CMV), Epstein-Barr-Virus (EBV), Herpes-simplex-Virus Typ 1/2 (HSV-1/2) und Varizella-Zoster-Virus (VZV) nach der Transplantation von hoher klinischer Relevanz sind. Expertinnen und Experten aus Infektiologie, Immunologie, Organ- und Stammzelltransplantation geben in dieser CME einen Überblick zu aktuellen Empfehlungen zu Screening, Diagnostik, Prävention und Behandlung dieser Virusinfektionen. Ein besonderer Fokus liegt auf refraktären und resistenten CMV-Infektionen nach Transplantation sowie den neuesten Entwicklungen im Management dieser komplexen Infektionen, die anhand realer Fallbeispiele aus der klinischen Praxis veranschaulicht werden.

Tutorielle Unterstützung

Die tutorielle Unterstützung der Fortbildungsteilnehmer erfolgt durch unseren ärztlichen Leiter Dr. med. Alexander Voigt in Zusammenarbeit mit der arztCME-Redaktion. Inhaltliche Fragen können über das Kommentarfeld, direkt per Mail an service@arztcme.de oder via Telefon unter Tel.: +49(0)180-3000759 gestellt werden. Inhaltliche Fragen werden von unserem ärztlichen Leiter bzw. nach Rücksprache mit diesem und evtl. dem Autor auch von der arztCME-Redaktion beantwortet.

Technischer Support

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Zertifiziert in:D, A
Zeitraum:18.09.2024 - 17.09.2025
Punkte:4 CME-Punkte
VNR:2760602024292600003
Zertifiziert von:Landesärztekammer Hessen
Faxteilnahme:Nein
Autor/innen:Prof. Hilgendorf, Prof. Sester, Dr. Teschner, Dr. Wagner-Drouet, Prof. Witzke, Prof. Rieger
Sponsor:
Veranstalter:health&media GmbH

Transparenzinformation

Kursinhalt

Einleitung

Die Herpesvirus-Familie umfasst acht menschliche Herpesviren, von denen Cytomegalievirus (CMV), Epstein-Barr-Virus (EBV), Herpes-simplex-Virus Typ 1/2 (HSV-1/2) und Varizella-Zoster-Virus (VZV) nach der Transplantation von hoher klinischer Relevanz sind. Expertinnen und Experten aus Infektiologie, Immunologie, Organ- und Stammzelltransplantation geben in dieser CME einen Überblick zu aktuellen Empfehlungen zu Screening, Diagnostik, Prävention und Behandlung dieser Virusinfektionen. Ein besonderer Fokus liegt auf refraktären und resistenten CMV-Infektionen nach Transplantation sowie den neuesten Entwicklungen im Management dieser komplexen Infektionen, die anhand realer Fallbeispiele aus der klinischen Praxis veranschaulicht werden.

Begrüßung und Einführung

Prof. Dr. med. Christina T. Rieger

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, herzlich willkommen zu Zukunft Transplant, eine fächerübergreifende Fortbildung. Herzlich willkommen. Mein Name ist Christina Rieger. Ich bin Fachärztin für Hämatologie und internistische Onkologie. Gemeinsam mit meiner sehr geehrten Kollegin Frau Prof. Sester, Leiterin der Transplantations- und Infektionsimmunologie an der Universität des Saarlandes in Homburg, heißen wir Sie sehr, sehr herzlich willkommen zu dieser fächerübergreifenden Fortbildungsveranstaltung, in der wir die Relevanz von Virusinfektionen sowohl für die solide Organtransplantation als auch für die hämatopoetische Stammzelltransplantation beleuchten wollen. Für den Part Virusinfektionen nach der Transplantation sollen wir kurze Flashlights zu EBV, HSV und VZV haben. Ich freue mich sehr, meinen langjährigen Kollegen und Weggefährten, Herrn Dr. Daniel Teschner, Oberarzt am Universitätsklinikum Würzburg, begrüßen zu dürfen. Herr Dr. Teschner leitet die Abteilung für Stammzellentransplantation an der Uniklinik Würzburg. Daniel, Du wirst uns zu HSV updaten. Ich freue mich und ich bin ganz gespannt, auch wenn ich nicht bei Euch sein kann. Vielen Dank.

00:01:19

Flashlight HSV post-SOT/-HSZT

Dr. med. Daniel Teschner

Nach allogener HSZT regeneriert das angeborene Immunsystem am schnellsten.

Liebe Christina, liebe Frau Prof. Sester, vielen Dank für die sehr sympathische Anmoderation. Es hat tatsächlich von dem Flughafen, von dem aus ich geflogen bin, funktioniert. Im Süden hat es wohl nicht funktioniert, aber schön, dass Du virtuell dabei bist und uns unterstützt. Ich darf den Reigen mit vielleicht dem Simpelsten eröffnen, wenn man so möchte, dem Herpes-simplex-Virus und mit den Problemen, mit denen wir nach der Transplantation zu kämpfen haben. Das sind meine Interessenskonflikte. Wir haben nach der allogenen hämatopoetischen Stammzellentransplantation, das ist mein Kerngeschäft, diese spezielle Situation, dass das Immunsystem recht lange braucht, bis es wieder komplett am Start ist. Die Granulozyten kommen relativ früh. Sie sind nach etwa 20 bis 30 Tagen wieder am Start, die Neutropenie ist abgeschlossen. Das spezifische Immunsystem, die T- und die B-Zellen, brauchen sehr, sehr lange. Wir brauchen ein gutes halbes Jahr, bis wir wieder einen gewissen Basisschutz haben. Diese Zeit nutzen die Viren, die in unseren Patienten schlummern, um zu reaktivieren.

Herpes-simplex-Viren sind umhüllte DNA-Viren.

Wir haben die Infektionen, natürlich. Dieser große gelbe Block stellt die Virusreaktivierungen dar. Das Herpes-simplex-Virus ist tatsächlich etwas, was vielleicht manch- mal ein wenig unterschätzt wird, aber doch eine hochrelevante Rolle spielt, weil die Durchseuchungsrate recht hoch ist. Die Gruppe an sich, die Familie, ist riesig. Es gibt sehr, sehr viele Herpesviridae. Wenn wir uns jetzt den Alphaherpesvirinae widmen und darunter dem Herpes-simplex-Virus, sieht man gleich, dass es zwei Familienmitglieder sind, die eine Rolle spielen. Es handelt sich um HSV-1 und HSV-2. Das Tierchen sieht an sich recht attraktiv aus, wenn es nicht krank machen würde. Es ist ein DNA-Virus, so wie alle Herpesviridae. Es ist behüllt. Es gibt zwei Familienmitglieder. Wir haben die Übertragung über Schmierinfektionen, klassisch über Speichel, sozusagen der berühmte Mutterkuss. Über Haut- und Schleimhautdefekte dringt das Virus ein, wandert retrograd zu den sensorischen Ganglien und bleibt dort ein Leben lang persistent. Es kann immer wieder reaktivieren, wenn das Immunsystem abgelenkt ist oder von uns wegtherapiert wurde. Die Durchseuchung für HSV-1 ist recht hoch. Das kennen wir. Der Herpes labialis ist eine klassische Volkskrankheit. HSV-2 ist tatsächlich nicht so häufig. Es ist ein bisschen abhängig von der Region und von den Lebensumständen. Man kann grob sagen, dass HSV-1 recht häufig und HSV-2 selten ist. Eine Erstinfektion wird meistens gar nicht wahrgenommen.

HSV-1 verursacht typischerweise eine orale, HSV-2 eine genitale Infektion.

Die Patienten wissen nicht, dass sie Virusträger sind, bevor sie nicht die erste Reaktivierung in Form von Lippenbläschen hatten. Orolabiale Läsionen werden primär durch HSV-1 verursacht, HSV-2 verursacht vor allem Genitalinfektionen mit genitalen Ulzera. Nach der Transplantation, sei es HSZT oder SOT, reaktivieren die Patienten zuverlässig. Wenn sie Virusträger sind und keine Prophylaxe nehmen, bekommen 70 % bis 80 % der Patienten manifeste Läsionen, die der Reaktivierung geschuldet sind. Am häufigsten sind oropharyngeale Reaktivierungen. Das sieht man auch mal im Ösophagus. Es ist sehr schmerzhaft und hindert effizient am Essen. Es ist seltener im Genitalbereich. Unsere Patienten sind hochsuszeptibel, aber eine HSV-Enzephalitis ist interessanterweise relativ gesehen bei unseren Patienten nicht häufiger, wie bei Immunkompetenten.

Der Nachweis einer HSV-Reaktivierung nach Transplantation erfolgt mittels PCR.

Das bedeutet, es ist einer der Erreger, die man immer wieder findet. Ein entscheidender Punkt ist, dass die Serologie Ihnen nicht dabei hilft, festzustellen, ob eine aktive Virusreplikation vorliegt oder nicht. Dafür müssen Sie direkt das Genom nachweisen. Diese Bilder kennen wir leider bei unseren Patienten.

Abb. 1: HSV-1-Effloreszenzen Lippen und Mundhöhle [1]

Orolabial, eine Virusreaktivierung, die Lippen und die Zunge sind betroffen. Häufig gibt es enoral sehr schmerzhafte Läsionen, wobei die Patienten einen sehr hohen Bedarf an Schmerzmedikation haben. Sie müssen parenteral ernährt werden, weil kauen und schlucken natürlich undenkbar ist. Man findet diese Herpesviren auch außerhalb von Mund-, Rachen- und Lippenbereich. Das ist ein Patient aus Würzburg mit einer kutanen HSV-1-Reaktivierung. Er hat eine sehr schmerzhaft Stelle am Steiß, wirklich sehr einschränkend für den Patienten. Es war darüber hinaus ein resistentes Virus, das wir mit i.v.-Medikamenten behandeln mussten, damit es ansatzweise weggegangen ist. Es ging dadurch in die richtige Richtung. Was heißt Vermeidung? Ich habe gesagt, dass das ein ganz entscheidender Punkt ist. Fast alle Patienten reaktivieren ohne Prophylaxe. Wir geben nach der Stammzelltransplantation tonnenweise Medikamente, um Infektionskomplikationen zu vermeiden. Es geht in dem Fall um die HSV- und VZV-Prophylaxe, weil es für beide Viren dasselbe Medikament gibt. Was wird empfohlen? Aciclovir, Valaciclovir oder Famciclovir. Sie können es eigentlich auswürfeln. Warum? Es gibt keine vergleichenden Studien. Es gibt keine Evidenz für die Dosis. Es gibt aus ökonomischen Gründen Argumente für das eine und gegen das andere. Der Standard ist sicherlich Aciclovir. Man kann es, wie man hier sieht, sowohl per os als auch i.v. geben.

Die antivirale Prophylaxe von HSV-Reaktivierungen nach Stammzelltransplantation erfolgt mit Aciclovir.

Wichtig ist, dass sie eine HSV-Prophylaxe durchführen. Sie wird in der Regel das komplette erste Jahr, unter dem Aspekt, dass VZV damit abgedeckt wird, durchgeführt. Das ist wirklich wichtig. Das sollten Sie standardmäßig machen. Wenn es doch zu einer Reaktivierung, zu einer Ausbildung von Läsionen, zur Erkrankung kommt, geben Sie auch Aciclovir, aber in höheren Dosen. Wenn nur eine orale Manifestation vorliegt, ein wenig Schleimhaut betroffen, reichen 5 mg/kg, bitte drei Mal am Tag. Wenn es invasiver wird, Pneumonie oder Meningitis, geben Sie 10 mg/kg. Es muss ordentlich dosiert werden. Es gibt einen direkten Zusammenhang mit der Effektivität. Eine HSV-Pneumonie ist etwas, was man sehr selten sieht. Es macht mich immer ein wenig stutzig, dass man immer wieder HSV in der BAL findet, wenn wir Patienten auf der Intensivstation haben, die von uns transplantiert wurden, reaktivieren und Lavagen erhalten. Man findet auch immer mal CMV, wenn sie im Blut reaktiviert haben. Ich habe relativ lange geglaubt, dass das alles Bystander sind und dass es Tropismus ist. Stefan Hagel aus Jena hat das untersucht.

Er war ursprünglich derselben Meinung, nämlich dass es primär ein Begleitphänomen ist. Ich vermute, es war seine Intention, seinen Intensivmedizinern auszutreiben, immer Aciclovir zu verabreichen. Man muss sagen, dass es tatsächlich so ist, dass die Patienten davon profitieren, wenn man in solchen Situationen Aciclovir gibt.

Abb. 2: Gesamtmortalität im Krankenhaus bei beatmeten Patienten mit HSV-Nachweis im Respirationstrakt [2]

Zur Behandlung der resistenten HSV-Infektion werden Foscarnet oder Cidofovir eingesetzt.

Das heißt, es ist offensichtlich nicht so einfach, als dass man sagt, es ist der Nachweis einer Reaktivierung in dem infizierten Organ, sondern da gibt es Zusammenhänge. Wir können nachher gerne darüber diskutieren, wer Aciclovir gibt, wenn er HSV nachweist. Ich tue mir mit der Einschätzung ein wenig schwer. Wenn Resistenzen vorliegen, was tatsächlich gar nicht so selten ist, korreliert es sehr stark damit, wie häufig Sie danach schauen. In Würzburg ist es so, dass die Resistenztestung in der Virologie etabliert wird. Das bedeutet, dass es eigentlich standardmäßig praktisch fast immer getestet wird. Wir detektieren darüber sehr häufig Resistenzen. Es sind 5 % bis 15 % publiziert. Es sind in Würzburg gefühlt mehr. Ich glaube, es ist underreported, da insgesamt nicht konsequent getestet wird. Sie müssen Foscarnet oder Cidofovir geben. Wir haben bei dem Patienten mit der kutanen Läsion Foscarnet eingesetzt. Was haben wir in der Pipeline? Es gibt eine Substanz, die tatsächlich sehr vielversprechend ist. Das Pritelivir ist als Tablette verfügbar. Es ist explizit in der klinischen Prüfung für resistente HSV bei Immunkompromittierten. Spannend ist, dass die Firma, die das Medikament entwickelt hat, wir kennen sie von einem anderen Virusmedikament, ein Early Access Programm aufgelegt hat, da die Studie bislang überhaupt nur in zwei Zentren in Deutschland aktiv ist, bald in drei Zentren. Es ist schön, wenn man eine Möglichkeit hat, auch außerhalb der Studie an solche wertvollen Substanzen heranzukommen. Ich bedanke mich damit für die Aufmerksamkeit. Wir sammeln fleißig Fragen und würden im Anschluss an die Flashlights die Fragen gemeinsam diskutieren.

00:10:49

Überleitung

Prof. Dr. rer. nat. Martina Sester

Ich freue mich, Frau Dr. Eva Wagner-Drouet zu begrüßen. Sie ist Oberärztin der 3. medizinischen Klinik und Poliklinik des Uniklinikums Mainz. Sie leitet dort das Zentrum für zelluläre Immuntherapie und Stammzelltransplantation. Sie wird uns, ähnlich wie gerade Herr Dr. Teschner, einen Impulsvortrag zu dem Thema VZV geben.

00:11:17

VZV nach allogener HSZT

Dr. med. Eva Maria Wagner-Drouet

Herzlichen Dank und ein Hallo an alle vor den Bildschirmen. Ich würde direkt mit einem klinischen Fall starten wollen. Mein Tagesgeschäft ist die allogene Stammzelltransplantation. Wir haben eine Leukämiepatientin transplantiert. Es war ein HLA-identer Fremdspender. Alle Herpesviren waren sowohl beim Empfänger als auch beim Spender positiv. Diese Patientin hatte einen Nachweis einer minimalen Resterkrankung. Wir haben deshalb mit Spender-Lymphozyten an einem Boost des Immunsystems gearbeitet, um die Erkrankung wirklich zu vernichten. Es ist eine häufige Nebenwirkung bei dieser Immunstimulation, dass das Immunsystem überschießend reagiert und eine GvHD, eine Graft-versus-Host-Erkrankung auftritt. Das ist eine Reaktion des Spender-Immunsystems gegen gesundes Patientengewebe. Das wird mit Immununterdrückung behandelt. Das Standardmedikament ist Cortison. Diese Patientin hat zusätzlich eine zweite Therapielinie, die Ruxolitinib, einen JAK-Inhibitor, benötigt. Es ist eine tiefe Immunsuppression. Diese Patientin hatte bei ihrer GvHD eine schwere Darmbeteiligung mit Durchfällen und Schmerzen. Wir hatten eigentlich das Gefühl, dass wir mit unserer immunsuppressiven Therapie die GvHD sehr gut kontrolliert haben. Sie stellte sich plötzlich in der Notaufnahme mit stärksten Bauschmerzen vor. Sie brauchte Opiate, um die Schmerzen zu kontrollieren. Wir haben in der Diagnostik im CT eigentlich nichts Neues gefunden. Wir kannten die Entzündung des Darms bereits. Wir haben keinen Erreger von Durchfallerkrankungen in den Stuhlproben gefunden. Wir haben aber gesehen, dass die VZV-PCR im Blut stark erhöht war. Wir haben in der Endoskopie, in der Darmspiegelung, verschiedenste tiefste Ulzerationen im Darm gefunden. Der Pathologe konnte uns bestätigen, dass wir neben der uns bereits bekannten GvHD, die im Begriff war abzuheilen, jetzt auch VZV in den Läsionen finden. Das konnte sowohl mit einer Immunhistochemie und auch molekularpathologisch nachgewiesen werden.

VZV verursacht als Erstmanifestation die Windpocken.

Das ist leider etwas, was wir zwar selten, aber durchaus bei unseren stammzelltransplantierten Patienten sehen. Wie Herr Teschner erwähnte, gehört VZV zur Gruppe der Herpesviren. Wir haben zwei verschiedene Manifestationsformen. Es gibt zum einen die exogene Erstmanifestation, die klassischen Windpocken, die Varizellen, die vor der Impfung hauptsächlich bereits im Kindesalter erworben werden. Sie sind extrem ansteckend, nicht nur der Bläscheninhalt, sondern auch Speichel, Husten oder Tränenflüssigkeit. Seit 2004 und seit der verschärften Impfempfehlung etwas später gibt es einen deutlichen Rückgang der tatsächlichen Erstmanifestation der Windpocken.

Die Wahrscheinlichkeit einer Herpes-Zoster-Infektion steigt mit zunehmendem Alter.

Das, was wir bei unseren Pateinten nach der Transplantation häufig sehen, ist die Reaktivierung. Das ist die klassische Gürtelrose, die wir in der Bevölkerung bei älteren Patienten sehen. Wir haben gerade bei den älteren Patienten eine Häufung. Jeder Zweite über 80 Jahre hatte eigentlich schon eine Gürtelrose. Das klinische Bild der Varizellen ist relativ unspezifisch. Am Anfang beginnt es mit Kopf- und Gliederschmerzen, Fieber und einem juckenden Exanthem, bis sich diese typischen Papeln ausbilden, die verschorfen. Es ist dieses Sternhimmelbild. Das Gefährliche daran trifft genau unsere Patienten. Wir haben bakterielle Superinfektionen, gerade bei erwachsenen Patienten kann sich eine VZV-Pneumonie ausbilden und das zentrale Nervensystem kann in vielfältiger Weise beteiligt sein. Myokarditis, Glomerulonephritis und Hepatitis sind sicherlich eher seltenere Manifestationen. Das Bild des Herpes zoster bei den an sich Immungesunden beschränkt sich eher auf ein Dermatom. Wir wissen, dass geimpfte Patienten deutlich seltener eine Reaktivierung ausbilden als ungeimpfte Patienten. Kinder zeigen einen eher milden Verlauf.

Immunsuppression begünstigt schwere Verläufe des Herpes zoster.

Wir sehen bei unseren immunsupprimierten Patienten häufig disseminierte Krankheitsbilder, also eine Verteilung über mehrere Dermatome. Wir sehen hier häufig eher atypische ZNS-Manifestationen wie Meningoenzephalitiden, Angitiden oder die aufsteigende Myelitis und, wie bei unserer Patientin im Fallbeispiel, die viszerale Manifestation.

Die Herpeszoster-Impfung ist bei immundefizienten Personen ab 50 Jahren empfohlen.

Es gibt seit 2004 eine Impfempfehlung der STIKO. Im Prinzip sollte jedes Kind ab 11 Monaten geimpft werden, seit 2004 zweimal. Gerade Patienten, bei denen wir eine immunsuppressive Therapie planen, das kann eine Transplantation sein, das kann eine andere immunsuppressive Therapie bei beispielsweise einer Autoimmunerkrankung sein, sollten seronegative Patienten geimpft werden. Das Personal im Gesundheitsdienst, wenn es seronegativ ist, sollte geimpft sein. Es gibt zusätzlich eine Impfempfehlung für seropositive Patienten, die älter sind, ab 60 Jahren, und bei 50-jährigen Patienten, die zusätzlich Immundefizienzen aufweisen, um die Reaktivierung des VZV zu verhindern. Wir haben in Deutschland seit 2020 die Zulassung ab 18 Jahre, aber hierzu gibt es aktuell keine STIKO-Empfehlung. Was konnten wir durch die Impfung erreichen? Das sind etwas ältere Daten aus dem Jahr 2020. Wir sehen tatsächlich relativ wenige VZV-Erstinfektionen. Die Infektionen, die wir sehen, sind Cluster-Infektionen hauptsächlich im ungeimpften Kinderkollektiv. Wie sieht es nach der hämatopoetischen Stammzelltransplantation aus? Wir sehen bis zu 50 % VZV-Reaktivierungen. Die Hauptrisikofaktoren sind medizinische Eingriffe, welche die T-Zellimmunität schwächen. Das kann unsere Art zu transplantieren sein. Das kann eine Graft-versus-Host-Erkrankung oder eine sekundäre Immunsuppression sein. Hier ist, wie bereits durch Herrn Teschner erwähnt, die Aciclovir-Prophylaxe empfohlen und sehr effektiv. Es ist unklar, auch im internationalen Standard, wie lange und in welcher Dosierung man sie fortführen sollte. Das ist eine Arbeit, in der tatsächlich sehr konsequent nur während der Frühphase der Transplantation oder bei sekundären Immunsuppressionen Aciclovir gegeben wird.

Abb. 3: VZV-Reaktivierung nach allogener HSZT [3]

Aciclovir hat eine schlechte orale Bioverfügbarkeit.

Wir sehen hier, dass innerhalb des ersten Jahres trotzdem 20 % der Patienten mit VZV reaktivieren. Die Therapieoptionen sind die gleichen, die Herr Teschner bereits erwähnt hat. Es ist mir wichtig, erneut zu betonen, dass gerade Aciclovir per os nicht sehr gut bioverfügbar ist. Man muss hier wirklich sehr hoch und ausreichend lange therapieren. Bei i.v.-Gabe ist die Bioverfügbarkeit sehr gut. Wir haben bei Famciclovir in Deutschland ein kleines Kostenübernahmeproblem. Es ist jedoch sicherlich ein sehr effektives Medikament. Was unsere Patienten nach der Reaktivierung besonders in der Lebensqualität einschränkt und uns therapeutisch herausfordert, ist sicherlich die Post-Zoster-Neuralgie, die bei Immungesunden ungefähr 15 % beträgt. Sobald wir in das ältere Kollektiv oder in die immunkompromittierten Patienten gehen, betrifft es mehr als die Hälfte der Patienten. Wir müssen direkt am Anfang der Reaktivierung eine sehr konsequente Schmerztherapie durchführen. Es gibt zunehmend Daten darüber, dass Hyperimmunglobuline, das ist die passive Immunisierung, positive Effekte für die Post-Zoster-Neuralgie hat. Die Studiendaten, die ich Ihnen zeigen möchte, umfassen Patienten, die Aciclovir zur Therapie und das Immunglobulin zusätzlich bekommen haben.

Abb. 4: Inzidenz und Schmerzintensität Post-Zoster-Neuralgie Aciclovir + VZV-IG vs. Aciclovir + Placebo [4]

Zur VZV-Postexpositionsprophylaxe steht eine passive Immunisierung mit Hyperimmunglobulin zur Verfügung.

Wir sehen eine Reduktion der Häufigkeit und der Schwere der Post-Zoster-Neuralgie. Es ist wichtig, es früh einzusetzen, wenn man es einsetzt. Man setzt es möglichst innerhalb der ersten 48 bis 72 Stunden ein. Das RKI empfiehlt diese passive Immunisierung insbesondere als Postexpositionsprophylaxe für ungeimpfte Schwangere, Neugeborene und Frühgeborene, aber auch für unsere immunsupprimierten Patienten. Dies ist eine Übersichtarbeit von unter anderem Per Ljungman. Sie ist aus dem Jahr 2018, schon etwas älter, aber es hat sich nicht viel daran geändert.

Abb. 5: Vergleich der zugelassenen Impfstoffe zur Herpeszoster-Prävention [5]

Aciclovir ist das Mittel der Wahl zur VZV-Prophylaxe.

Wir können demnach neben der antiviralen Aciclovir-Prophylaxe verschiedene Impfstrategien in der Transplantiertenkohorte anwenden. Die Daten, die es dazu gibt, sind meistens gemischt, autologe und allogene Stammzelltransplantationen. Wir haben die Möglichkeit, Lebendimpfungen einzusetzen. Das können wir vor Start der Immunsuppression oder nach der Transplantation durchführen. Wir müssen aber einen ausreichenden Abstand zur Transplantation und GvHD einhalten. Die Daten zur Möglichkeit, eher attenuierte oder Totimpfstoffe zu verwenden, zeigen, dass wir eine sehr gute Verbesserung der Immunantwort erreichen. Für die rekombinante Impfung gibt es mittlerweile Daten, dass wir mit repetitiven Impfstrategien sehr gute Immunantworten in Monat vier nach der Transplantation erreichen können. So ist zumindest die Empfehlung in der Community, früh nach der Transplantation nicht die Lebend-, sondern die Totimpfstoffe einzusetzen. Erst wenn wir dort eine entsprechende Impfantwort feststellen können, setzen wir die Prophylaxe an. Das findet sich leider nicht in den Empfehlungen der STIKO wieder. Ich habe hier die STIKO-Empfehlungen aufgeführt. Das ist das, was leider für die Kostenübernahme wichtig ist. Sie finden das auch in den entsprechenden Impfkalendern der STIKO. Was leider auch heute, 2024, immer noch so bleibt, ist, dass wir Aciclovir-Prophylaxen emp