Inhalationstechnik und Lungendeposition bei Patientinnen und Patienten mit COPD – Voraussetzung für Adhärenz und Therapieerfolg
Interessengebiete: Allgemeinmedizin und Innere Medizin, Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Pneumologie
Die COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) ist eine chronische und in der Regel progrediente Atemwegs- und Lungenerkrankung. Sie ist bezüglich Morbidität und Mortalität weltweit eine der häufigsten Erkrankungen. Sie zählt zu den drei häufigsten Todesursachen mit steigender Tendenz. Vor allem das Auftreten von Exazerbationen verschlechtert die Prognose erheblich. Aber auch die Lebensqualität, die für die alltäglichen Aktivitäten der Patient:innen wichtig ist, wird durch Exazerbationen stark beeinträchtigt. Deshalb sind die Krankheitskontrolle sowie die Vermeidung von Exazerbationen und den damit verbundenen Komplikationen, wie Hospitalisierung und Mortalität, wichtige Therapieziele. Neben Raucherentwöhnung und Bewegung spielen inhalative Medikamente eine zentrale Rolle. Fehler bei der Anwendung der Inhalationsgeräte und eine unzureichende Adhärenz erschweren die Kontrolle der Erkrankung. Daher sind die korrekte Anwendung der Inhalationsgeräte sowie die Adhärenz wichtige Faktoren für den Therapieerfolg. Um die Patient:innen umfassend und überzeugend aufklären zu können, müssen Ärzt:innen selbst gut über die Unterschiede sowie Vor- und Nachteile der Inhalationssysteme informiert sein. Mit diesem Ziel bietet diese CME relevante Informationen zu den Grundlagen der korrekten Inhalationstechnik, die entscheidend für eine adäquate Lungendeposition und somit für den Therapieerfolg ist.
Kursinhalt
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Einfluss der COPD auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität
- Nicht-medikamentöse Therapie der COPD
- Medikamentöse Therapie der COPD
- Die Rolle des Verabreichungswegs
- Die korrekte Inhalationstechnik
- Die Inhalationssysteme im Überblick
- Der entscheidende Faktor: Periphere Lungendeposition des Wirkstoffs
- Der Einfluss der Atemanhaltezeit auf die Lungendeposition
- Weitere Einflussfaktoren
- Empfehlungen zur Patient:innenschulung in der täglichen Praxis
- Bedeutung nicht-ärztlicher Berufsgruppen in der langfristigen Betreuung
- Patient:innenseitige Kriterien für die Auswahl des Inhalationssystems
- Fazit
- Literatur
Einleitung
Diese CME richtet sich an Pneumolog:innen, Allgemeinärzt:innen, Praktiker:innen und Internist:innen. Die COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) ist eine chronische und in der Regel progrediente Atemwegs- und Lungenerkrankung. Sie ist bezüglich Morbidität und Mortalität weltweit eine der häufigsten Erkrankungen. Sie zählt zu den drei häufigsten Todesursachen mit steigender Tendenz [1]. Vor allem das Auftreten von Exazerbationen verschlechtert die Prognose erheblich [1]. Aber auch die Lebensqualität, die für die alltäglichen Aktivitäten der Patient:innen wichtig ist, wird durch Exazerbationen stark beeinträchtigt. Deshalb sind die Krankheitskontrolle sowie die Vermeidung von Exazerbationen und den damit verbundenen Komplikationen, wie Hospitalisierung und Mortalität, wichtige Therapieziele. Neben Raucherentwöhnung und Bewegung spielen inhalative Medikamente eine zentrale Rolle. Fehler bei der Anwendung der Inhalationsgeräte und eine unzureichende Adhärenz erschweren die Kontrolle der Erkrankung. Daher sind die korrekte Anwendung der Inhalationsgeräte sowie die Adhärenz wichtige Faktoren für den Therapieerfolg. Um die Patient:innen umfassend und überzeugend aufklären zu können, müssen Ärzt:innen selbst gut über die Unterschiede sowie Vor- und Nachteile der Inhalationssysteme informiert sein. Mit diesem Ziel bietet diese CME relevante Informationen zu den Grundlagen der korrekten Inhalationstechnik, die entscheidend für eine adäquate Lungendeposition und somit für den Therapieerfolg ist.
Einfluss der COPD auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität
Die gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL) ist ein multidimensionales Konstrukt aus physischen, psychischen und sozialen Dimensionen, das sich wesentlich an der subjektiven Wahrnehmung durch die Patient:innen orientiert. Hierbei spielen Alltagsaktivitäten und das allgemeine Wohlbefinden der Patient:innen eine entscheidende Rolle. Neben dem negativen Einfluss auf die Progression der COPD und die Hospitalisierungsrate beeinträchtigen Exazerbationen vor allem auch die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Betroffenen: Patient:innen mit häufigen Exazerbationen haben eine schlechtere Lebensqualität als Patient:innen mit weniger häufigen Exazerbationen (Abb. 1) [1, 2].
Der St George‘s Respiratory Questionnaire für COPD-Patient:innen (SGRQ-C) ist ein validierter und etablierter Fragebogen zur Messung der Lebensqualität als Patient Reported Outome (PRO) bei COPD. In einer Studie konnte ein signifikanter Unterschied im SGRQ-C- Gesamtscore bei Patient:innen ohne Exazerbation im Vergleich zu Patient:innen mit ≥ 1 Exazerbation gezeigt werden, wobei mittelschwere und schwere Exazerbationen einen größeren negativen Einfluss auf die HRQoL hatten. Zudem wurde nachgewiesen, dass eine Steigerung der Lebensqualität mit einem höheren Anteil an exazerbationsfreien Tagen korrelierte [6].
Somit ist die Verringerung der mit Exazerbationen assoziierten Morbidität unmittelbar mit einer Verbesserung der Lebensqualität bei Patient:innen mit COPD sowie langfristig mit der Vermeidung von Hospitalisierungen und der Verringerung des Mortalitätsrisikos assoziiert [2].
Nicht-medikamentöse Therapie der COPD
Die Rauchentwöhnung ist bislang die wirksamste Intervention, um die Progression der COPD zu verlangsamen [1]. Deshalb soll rauchenden COPD-Patient:innen dringend die vollständige und dauerhafte Abstinenz empfohlen werden [7].
Eine weitere nicht-medikamentöse Therapiemaßnahme stellt das körperliche Training dar: Laut der Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) COPD sollen alle Patient:innen unabhängig vom Krankheitsstadium über die hohe Relevanz und den Nutzen von körperlicher Aktivität im Alltag und von körperlichem Training aufgeklärt werden [7].
Pneumologische Rehabilitation bei COPD ist ein evidenzbasiertes, interdisziplinäres und multimodales Maßnahmenpaket, welches die Re-Hospitalisierungsrate und das Mortalitätsrisiko signifikant senken kann [7, 8, 9]. Die Initiierung der pneumologischen Rehabilitation innerhalb von 90 Tagen nach Krankenhausentlassung war in einer Studie mit einem signifikant geringeren Mortalitätsrisiko über ein Jahr verbunden als bei Patient:innen ohne oder mit einer späteren pneumologischen Rehabilitation (Hazard Ratio: 0,63 [95 %-Konfidenzintervall [KI]: 0,57; 0,69]; p < 0,001) [9].
Chancen und Möglichkeiten bieten auch Telemedizin und digitale Gesundheitsanwendungen bzw. Apps wie z. B. Kaia COPD [10] oder Aktiv mit COPD [11]. So können COPD-Patient:innen dank digitaler Helfer beim Selbstmanagement ihrer chronischen Erkrankung unterstützt werden und einen Benefit durch eine medizinische Betreuung via Telemedizin erfahren – vor allem, wenn sie im ländlichen Bereich wohnhaft sind und sich mit schwächeren Versorgungsstrukturen konfrontiert sehen [7].
Ferner soll zur Erhaltung, Verbesserung und Wiederherstellung der Atemfunktion eine Atemphysiotherapie angewendet werden. Vor allem Selbsthilfetechniken bei Atemnot sollen allen Patient:innen mit COPD im Rahmen von Schulungen, Lungensport, physiotherapeutischen oder rehabilitativen Interventionen vermittelt werden [7].
Weiterhin soll untergewichtigen oder adipösen Patient:innen mit COPD eine Ernährungsberatung angeboten werden [7], während interventionelle Verfahren (u. a. endoskopische Lungenvolumenreduktion, Rheoplastie, Denervation) bei ausgewählten Patient:innenkollektiven eine sinnvolle nicht-medikamentöse Therapieoption darstellen können [1, 12, 13].
Medikamentöse Therapie der COPD
Für die medikamentöse Dauertherapie der COPD steht heute ein breites Spektrum an Wirkstoffen zur Verfügung, das im Wesentlichen aus langwirksamen Beta2-Rezeptoragonisten bzw. Muskarin-Rezeptorantagonisten (LABA bzw. LAMA) oder kurzwirksamen Beta2-Rezeptoragonisten bzw. Muskarin-Rezeptorantagonisten (SABA bzw. SAMA) zur Bronchodilatation sowie aus oralen bzw. inhalativen Corticosteroiden (OCS bzw. ICS) besteht [1, 7]. Diese kommen vorrangig in inhalativer Form entweder als Einzelsubstanzen oder in Wirkstoffkombinationen zur Anwendung. Eine Besonderheit der medikamentösen COPD-Therapie stellt das enge Zusammenspiel zwischen Wirkstoffkombination, Galenik und Inhalationsgerät dar. Die Vielfalt verfügbarer Inhalationssysteme ist im praktischen Alltag mitunter schwer zu überblicken, fundierte Kenntnisse über die einzelnen Systemen sind für die Differentialtherapie der COPD jedoch von erheblicher Bedeutung, um eine patient:innenindividuelle Therapie zu ermöglichen.
Die Rolle des Verabreichungswegs
Im Vergleich zu anderen Applikationsformen bietet die Inhalation eine Reihe von Vorteilen bei der Behandlung von Lungenerkrankungen. So wird ein Medikament direkt an das Zielorgan abgegeben, was zu hohen pulmonalen und gleichzeitig niedrigen systemischen Wirkstoffkonzentrationen führt. Dies ist in der Regel mit einer hohen Wirksamkeit bei einem geringen systemischen Nebenwirkungsprofil verbunden [14, 15]. Die Inhalationstherapie stellt somit die fundamentale Säule der Krankheitskontrolle bei COPD- Patient:innen dar und kann entscheidend zur Symptomlinderung, Reduktion der Häufigkeit und des Schweregrades von Exazerbationen und ferner zu einer Verbesserung der Lebensqualität sowie der körperlichen Leistungsfähigkeit beitragen.
Eine pharmakokinetische Studie untersuchte in Abhängigkeit des Verabreichungsweges die Wirkstoffkonzentrationen in verschiedenen Kompartimenten der Lunge und verglich diese mit der Blutplasmakonzentration. Für die eingesetzten Medikamente wurden pharmakokinetische Profile aus verschiedenen Lungenkompartimenten (Epithelflüssigkeit, Parenchym) sowie dem Plasma erstellt. Die Inhalation des häufig als Bedarfsmedikation angewendeten Salbutamol (SABA) führte beispielsweise zu einer über 100-fach höheren Konzentration in der Lunge als im Plasma. Für die inhalativ als Dauertherapie verwendeten Substanzen Salmeterol (LABA) und Fluticason (ICS) ließen sich sogar noch größere Unterschiede zwischen Lungen- und Plasmakonzentration nachweisen (Tab. 1) [14].
Dies lässt sich durch die zahlreichen pharmakokinetischen Besonderheiten der Lunge erklären. Diese umfassen neben der pulmonalen Deposition der Wirkstoffpartikel auch deren Freisetzung in der Lunge, die mukoziliäre und phagozytotische Clearance, die Absorption in das Lungengewebe, die Retention im Lungengewebe und schließlich die Medikamenten-Clearance in die systemische Perfusion [15]. Diese Prozesse können durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst werden. Neben der Substanz selbst spielen vor allem die Galenik, das Inhalations-Device und das Verhalten der Patient:innen eine wesentliche Rolle [15]. Der Erfolg der Inhalationstherapie hängt entscheidend von der korrekten Anwendung ab, so dass der Auswahl des geeigneten Devices eine wichtige Rolle zukommt. Wann immer möglich, sollte der inhalativen Applikationsform der Vorzug gegeben werden, selbst dann, wenn die orale Gabe der gleichen Substanz möglich ist.
Die korrekte Inhalationstechnik
Für die optimale Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit der inhalativen Therapie ist eine korrekte Inhalationstechnik unabdingbar. Die Voraussetzung dafür ist ein individuell an den:die Patient:in angepasstes System. Die Auswahl des Inhalationssystems sollte sich daher neben dem inspiratorischen Fluss im Wesentlichen auch an den kognitiven, visuellen und motorischen Fähigkeiten sowie den Präferenzen der Patient:innen orientieren [7].
Die Inhalationssysteme im Überblick
Die Feuchtinhalation durch Vernebler stellt die älteste Inhalationsform dar. Sie bietet den Vorteil der breiten Anwendbarkeit, auch im Notfallsetting und bei eingeschränkter Mitarbeitsfähigkeit (geriatrische Patient:innen, Kinder). Demgegenüber stehen jedoch eine schlechte Dosiskontrolle, häufige Anwendungen aufgrund der überwiegend kurzwirksamen Substanzen sowie eine eingeschränkte Portabilität der oftmals schweren Geräte. Dies hat zur Entwicklung der Dosieraerosole (pMDI), Pulverinhalatoren (DPI) und Sprühvernebler geführt. Heute sind vielfältige Kombinationen aus diesen Inhalations-Devices und Wirkstoffklassen kommerziell verfügbar, die sich sowohl in der Anwendung als auch den physikalischen Eigenschaften teils erheblich unterscheiden (Tab. 2) [7, 16].
Dosieraerosole (pressurized metered dose inhaler, pMDI)
Dosieraerosole ermöglichen eine gute Dosiskontrolle und definierte Partikelgrößen. Ebenso sind sie für die meisten inhalativen Substanzen verfügbar und weisen eine portable, kompakte Bauform auf. Die Anwendung stellt jedoch höhere Anforderungen an die koordinativen Fähigkeiten der Patient:innen. Diese Problematik lässt sich beispielsweise durch Verwendung eines Spacers oder atemzuggetriggerter Geräte adressieren. In jüngster Vergangenheit sind auch die bei Dosieraerosolen verwendeten Treibgase Gegenstand umweltpolitischer Diskussionen geworden. Dieses sensible Thema erfordert eine differenzierte Betrachtung und lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend bewerten. Eine aktuelle Analyse von Daten zum Gebrauch von Inhaler-Devices bei Asthma und COPD in fünf europäischen Ländern weist jedoch darauf hin, dass die damit verbundene Umweltbelastung geringer ist, als gemeinhin angenommen wird: Demnach sind Dosieraerosole nur für <0,1 % der weltweiten Treibhaus-Emissionen verantwortlich [17]. Dem gegenüber steht ein Anteil von etwa 20 % durch das Transportwesen [18]. Zusätzlich sollte neben der reinen CO2-Bilanz der gesamte Lebenszyklus der Inhalatoren berücksichtigt werden, wie beispielsweise der Plastikanteil sowie der Anteil wiederverwertbarer Rohstoffe.
Pulverinhalatoren (dry-powder inhaler, DPI)
Pulverinhalatoren weisen ebenfalls eine portable, kompakte Bauform auf und erfordern weniger Koordination als Dosieraerosole. Entscheidend für die Anwendung ist das Zusammenspiel aus Gerätewiderstand und inspiratorischem Fluss. Für die aktive Aerosolerzeugung und die Dispergierung in lungengängige Aerosolpartikel ist ein hinreichender Druckabfall im Pulverinhalator erforderlich, der durch den internen Gerätewiderstand und/oder durch die Scherkräfte bei forcierter Einatmung erzeugt wird [7]. So erfordern Systeme mit geringem Gerätewiderstand und einem geringen Druckabfall hohe Flussraten, die gerade Patient:innen mit schlechter Lungenfunktion oft nicht erreichen. Werden sie erreicht, resultiert dies in einer hohen Partikelbeschleunigung in den oberen Atemwegen mit der Gefahr unerwünschter Prallverluste. Dem steht die subjektive Wahrnehmung entgegen: Patient:innen empfinden Systeme mit geringem Widerstand als angenehm leicht zu bedienen, auch wenn der Wirkungsgrad oft niedrig ist. Der Gebrauch von Systemen mit hohem Widerstand wird als anstrengend wahrgenommen, die Aerosolqualität ist aber trotz niedriger Flüsse gut [7]. Zusätzlich spielt die Galenik eine wichtige Rolle für die Wirkstoffdeposition in der Lunge. Das komplexe Zusammenspiel zwischen Flussrate, Gerätewiderstand und Wirkstofffreisetzung ist exemplarisch in Abbildung 2 dargestellt.
Sprühvernebler (soft mist inhaler, SMI)
Die Abhängigkeit vom Inspirationsfluss ist bei Sprühverneblern deutlich geringer als bei Pulverinhalatoren. Das derzeit kommerziell verfügbare Gerät weist einen hohen Anteil an lungengängigen Partikel auf, ist wiederverwertbar und kommt ohne Treibgas aus. Mitunter wird das Gerätehandling jedoch als komplexer empfunden.
Inhalationshilfen
Bei Dosieraerosolen und Sprühverneblern besteht die Möglichkeit der additiven Verwendung eines Spacers. Hierbei wird die Medikamentendosis zunächst in eine zwischen Device und Mund geschaltete Kammer abgegeben, aus der dann die Inhalation erfolgt.
Dies vereinfacht das Inhalationsmanöver und erfordert patient:innenseitig weniger Koordination. Zudem werden größere Partikel im Spacer gebunden, die nicht zur pulmonalen Arzneimittelwirkung beitragen und sonst überwiegend im Mund/Rachenbereich deponiert würden. Hierdurch lassen sich typische Nebenwirkungen wie beispielsweise Heiserkeit und Mundsoor bei ICS minimieren.
Der entscheidende Faktor:
Periphere Lungendeposition des Wirkstoffs
Entscheidend für die Wirkung eines inhalativen Arzneimittels ist der Anteil des Wirkstoffs, der die peripheren Lungenabschnitte erreicht. Bei obstruktiven Atemwegserkrankungen befinden sich hier die betroffenen Bereiche mit Inflammationsprozessen und verengten Atemwegen. Im Wesentlichen basiert die Abscheidung der inhalierten Partikel auf drei verschiedenen Mechanismen: der Impaktion, der Sedimentation und der Diffusion. Diese Mechanismen werden von verschiedenen Faktoren, wie der Inhalationstechnik der:des Patient:in, der Geometrie der Atemwege sowie den physikalischen Eigenschaften der Partikel beeinflusst. Wesentlicher physikalischer Faktor ist das Zusammenspiel aus Partikelgröße (aerodynamischer Durchmesser) und der Geschwindigkeit (Abb. 3) [15].
Zu den wesentlichen Depositionsmechanismen gehören die [15]:
- Impaktion: Partikel mit einer Größe > 5 µm und hoher Geschwindigkeit können aufgrund der Massenträgheit den anatomischen Biegungen im Atemtrakt schlechter folgen und prallen deshalb auf die Wände des Atemtrakts. Noch größere Partikel (> 10 µm) verbleiben in den oberen Atemwegen und werden oftmals geschluckt.
- Sedimentation: Kleinere und langsamere Partikel können den anatomischen Biegungen besser folgen und setzen sich aufgrund der Gravitation nach unten ab und erreichen so die Atemwegswand. Neben der Partikelgröße (> 0,5 µm) begünstigen auch die durch eine lange und tiefe Inhalation verursachte Verweildauer in den Atemwegen, der abnehmende Durchmesser der Atemwege sowie die Strömungsgeschwindigkeit die Sedimentation.
- Diffusion: Sehr kleine Teilchen unterliegen der Brown‘schen Molekularbewegung. Die Richtung dieser kleinen Teilchen wird stets durch Kollisionen mit den Gasmolekülen der Luft geändert. Sie werden entweder ins Blut aufgenommen und können so systemische Nebenwirkungen verursachen oder werden, ohne eine Arzneimittelwirkung zu entfalten, wieder ausgeatmet.Etablierte Inhalationssysteme erzeugen in der Regel Aerosole mit einem ausreichend hohen Anteil an Feinpartikeln zwischen 1 und 5 μm.
Partikel mit einem Durchmesser < 5 µm werden als Feinpartikelfraktion (FPF) bezeichnet. Etablierte Inhalationssysteme erzeugen in der Regel Aerosole mit einem ausreichend hohen Anteil an Feinpartikeln zwischen 1 und 5 µm. Neben der Feinpartikelfraktion enthalten Aerosole auch große Teilchen, die extrathorakal abgeschieden werden. Da diese größeren Teilchen den Hauptanteil der Masse transportieren, gelangt nicht der gesamte Wirkstoff in die Lunge. Die optimale Partikelgröße für die periphere Deposition liegt im Bereich von etwa 1-3 µm.
Lungendeposition, Device und Galenik
Neben dem komplexen Zusammenspiel strömungsphysikalischer Aspekte trägt auch das Inhalationsgerät selbst erheblich zum Therapieerfolg bei. So variieren die Lungendepositionsraten zwischen den Gerätearten und auch innerhalb der gleichen Klassen sowie Inhalierhilfen zeigt sich eine mitunter große Spannbreite (Abb. 4) [21].
Dies lässt sich unter anderem auf die unterschiedliche galenische Aufbereitung bei den Inhalationssystemen zurückführen, die umfassend untersucht wurden.
So wurden die Effekte von wirkstoffgleichen ICS bei Patient:innen mit Asthma bronchiale ausgewertet, die sich jedoch in der Partikelgröße unterscheiden. Anhand sensitiver Lungenfunktionsdiagnostik konnte in vivo gezeigt werden, dass die Galenik mit hoher peripherer Deposition den peripheren Atemwegswiderstand signifikant gesenkt hat [22].
Gleichsam konnte bei Patient:innen mit COPD nachgewiesen werden, dass sich der periphere Atemwegswiderstand um etwa 30 % durch einen alleinigen Wechsel der Galenik (Trockenpulver → Sprühvernebler) bei bioäquivalenter Wirkstoffdosis reduzieren lässt [23].
Eine Untersuchung zur Deposition von Beclometasondipropionat/Formoterol (FORM) – in Hydrofluoralkan (HFA) gelöst und mit einem pMDI verabreicht – zeigte bei gesunden Proband:innen (34,1 ± 9,3 %), Asthma-Patient:innen (30,9 ± 8,9 %) und COPD- Patient:innen (33,1 ± 8,9 %) keine signifikanten Unterschiede in der Lungendeposition [24].
Der Einfluss der Atemanhaltezeit auf die Lungendeposition
Im Allgemeinen wird empfohlen, dass die Patient:innen nach der Inhalation den Atem so lange wie möglich anhalten sollen – bis zu 10 Sekunden. Allerdings sind Patient:innen mit erheblich eingeschränkter Lungenfunktion möglicherweise nicht in der Lage, den Atem über eine solche Zeitspanne anzuhalten. Diese Patient:innen erreichen eher eine Atemanhaltezeit von 3 bis 5 Sekunden [25].
Die Atemanhaltezeit hat einen entscheidenden Einfluss auf die zentrale und periphere Lungendeposition. Untersuchungen mit einem Dosieraerosol-Inhalator (pressurised Metered Dose Inhaler; pMDI) zeigten, dass die Lungendeposition nach einer Atemanhaltezeit von 1, 3 bzw. 5 Sekunden bei 22,8 %, 36,1 % bzw. 41,6 % der verabreichten Dosis lag und die Ratio zentrale/periphere Deposition 1,81, 0,86 bzw. 0,61 betrug [26].
Tutorielle Unterstützung
Die tutorielle Unterstützung der Fortbildungsteilnehmer erfolgt durch unseren ärztlichen Leiter Dr. med. Alexander Voigt in Zusammenarbeit mit der arztCME-Redaktion. Inhaltliche Fragen können über das Kommentarfeld, direkt per Mail an service@arztcme.de oder via Telefon unter Tel.: +49(0)180-3000759 gestellt werden. Inhaltliche Fragen werden von unserem ärztlichen Leiter bzw. nach Rücksprache mit diesem und evtl. dem Autor auch von der arztCME-Redaktion beantwortet.
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