Herzinsuffizienz: Aktuelle Therapiestandards bei HFrEF
Zertifiziert in D, A bis 12.07.2024, 3 CME-Punkte
Interessengebiete: Allgemeinmedizin und Innere Medizin, Kardiologie
Was ist bei der Diagnostik der Herzinsuffizienz genau zu beachten? Wie sieht die Basistherapie bei diagnostizierter HFrEF aus und was empfehlen die neuen Leitlinien „Heart Failure“ vom ESC 2021? In dieser Fortbildung besprechen neun Experten der Kardiologie aktuelle Therapieempfehlungen bei Herzinsuffizienz. Erfahren Sie dabei auch, was sich hinter „4 Säulen in 4 Wochen“ verbirgt. Die Experten bringen Ihnen außerdem die bestmögliche Versorgung Ihrer Patienten mit Herzinsuffizienz durch medikamentöse Therapie, Training und Ernährung näher – inklusive interessanter Fallbeispiele. Für eine hohe Lebensqualität Ihrer Patienten trotz Herzinsuffizienz.
Referenten:
Dr. med. Jan Lokies, Berlin
Prof. Dr. med. Barbara Richartz, München
Prof. Dr.med. Bernd Kühlmuß, Biberach
Prof. Dr. med. Carsten C. Tschöpe, Berlin
Prof. Dr. med. Dariusch Haghi, Ludwigshafen
Prof. Dr. med. Martin W. Bergmann, Hamburg
Dr. med. Christian Fechtrup, Münster
Prof. Dr. med. Till Neumann, Bochum
Dr. med. Jeannette Hamadeh, Göttingen
Kursinhalt
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Dr. med. Jan Lokies
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, mein Name ist Jan Lo- kies, ich bin Kardiologe aus Berlin und möchte Sie heute ganz herzlich zu dieser besonderen Fortbildung begrüßen, die sich dem Themenschwerpunkt der chronischen Herzinsuffizienz widmet. Das Ziel dieser CME-Fortbildung ist es, Ihnen anhand von Beiträgen von Expertinnen und Experten rund um die Diagnostik und Therapie der Herzinsuffizienz das kardiologische Basiswissen zu vermitteln, mit dem es Ihnen dann möglich sein wird, Ihre Patientinnen und Patienten in Ihrem Praxisalltag erfolgreich zu behandeln.
Die Herzinsuffizienz hat sich mittlerweile den Namen, den Rang einer Volkskrankheit in Deutschland erarbeitet. Nach den Daten gesetzlicher Krankenversicherungen schätzen wir die Prävalenz dieser Erkrankung in Deutschland auf etwa drei bis fünf Prozent. Die Herzinsuffizienz zählt mittlerweile zu der dritthäufigsten kardio-vaskulären Todesursache und ist insbesondere aufgrund vieler Komorbiditäten, wie beispielsweise dem Diabetes, der Niereninsuffizienz oder auch der COPD, mit einer äußerst ungünstigen Prognose verbunden.
Umso wichtiger ist es für uns, frühzeitig eine sichere Diagnose zu stellen, und diese beginnt mit der Basisdiagnostik, an die sich dann bei einem bestehenden Verdacht weitergehende diagnostische Schritte anlehnen. Einen umfassenden Überblick über das Thema Diagnostik bei Herzinsuffizienz und vor allen Dingen die Einordnung, wann es für Sie angezeigt ist, Ihre Patientinnen / Patienten zu einer Kardiologin oder einem Kardiologen zu schicken, gibt Ihnen in dem folgenden Beitrag Frau Professor Richartz.
#00:02:11-9#
Diagnostik bei Herzinsuffizienz
Professor Dr. med. Barbara M. Richartz
Heute möchte ich über die Diagnostik der Herzinsuffizienz sprechen. Mein Name ist Barbara Richartz, ich bin seit über zehn Jahren niedergelassene Kardiologin und beschäftige mich in meiner Praxis schwerpunktmäßig mit allen Formen der Herzinsuffizienz. Meinen Vortrag möchte ich in vier kurze Teile eingliedern, und zwar erstens, wann soll man überhaupt an eine Herzinsuffizienz denken, was bedeutet die Diagnose Herzinsuffizienz prognostisch für unsere Patienten, und wenn wir den Verdacht auf eine Herzinsuffizienz haben, was sollen wir tun, damit wir recht schnell zu einer guten Verdachtsdiagnose kommen, und natürlich zum Schluss, wann soll ich den Patienten in der Praxis zum Kardiologen schicken?
Die Herzinsuffizienz ist ein komplexes, klinisches Syndrom, das auf strukturellen und funktionellen Störungen des Herzens beruht. Einmal ist die sogenannte linksventrikuläre Auswurfleistung des Herzens beeinträchtigt und auf der anderen Seite ist die Füllung des Herzens beeinträchtigt. Dementsprechend reden wir von einem Vorwärts- versagen des linken Ventrikels, was bedeutet, dass zu wenig sauerstoffreiches Blut zu den Organen transportiert werden kann, was führende Symptome der Herzinsuffizienz, wie die Atemnot, die Erschöpfbarkeit und die Leistungsminderung, erklärt. Auf der anderen Seite haben wir das Rückwärtsversagen des Herzens, das bedeutet, dass das Blut nicht ausreichend zum Herzen zurücktransportiert werden kann, was wiederum bedeutet, dass wir Wasseransammlungen haben, einmal natürlich in der Lunge, andererseits in den abhängigen Körperpartien, wie beispielsweise den Knöchelödemen oder den Unterschenkelödemen, was bedeutet, bei einer Atemnot, bei einer Leistungsschwäche oder bei einem Leistungsdefizit, bei vermehrter Müdigkeit und Erschöpfbarkeit sollen wir an eine Herzinsuffizienz denken, aber natürlich auch, wenn wir periphere Ödeme haben, beispielsweise auch, wenn wir Anasarka, Wassereinlagerungen im abdominellen Bereich, auch natürlich, wenn unsere Patienten über Schweißausbrüche klagen bereits bei geringer körperlicher Belastung, oder wenn wir plötzlich Blutdruckabfälle bei geringer körperlicher Belastung haben.
Warum ist das so wichtig, dass wir an die Herzinsuffizienz denken? Deshalb, weil die Herzinsuffizienz eine überaus schlechte Prognose hat, und zwar eine schlechtere Prognose als die meisten malignen Erkrankungen. Das bedeutet, dass wir eine Fünf-Jahres-Mortalität von ungefähr achtzig Prozent haben. Das ist bei Männern und Frauen identisch und ist somit schlechter als bei den meisten malignen Erkrankungen. Wenn unsere Patienten wegen einer dekompensierten Herzinsuffizienz bereits in die Klinik aufgenommen werden müssen, dann verschlechtert sich die Prognose. Das heißt, sie haben eine sogenannte In-Krankenhaus-Mortalität bereits von vier Prozent und in den darauffolgenden sechzig Tagen haben sie sogar eine Mortalität von dreißig bis fünfzig Prozent oder eine entsprechend hohe Wahrscheinlichkeit, wieder in die Klinik rehospitalisiert zu werden. Was sollen wir also in der allgemeinmedizinischen Praxis oder in der hausärztlichen Praxis machen, wenn wir eine entsprechende Anamnese durchgeführt haben, wo wir entsprechende Risikofaktoren abgefragt haben und eine körperliche Untersuchung durchgeführt haben, wo wir nach entsprechenden Dekompensationszeichen gesucht haben, dann ist es sinnvoll, ein EKG zu schreiben, wenn wir einen Linksschenkelblock haben, neu aufgetretenes Vorhofflimmern oder eine inadäquate Sinustachykardie, wären das Zeichen für eine Herzinsuffizienz, aber ein normales EKG schließt eine Herzinsuffizienz nicht aus. Das heißt, hier hilft uns ein Laborparameter, und zwar das BNP, weiter.
Das BNP ist ein sogenanntes körpereigenes Schutzhormon, das immer dann vom Herzen ausgestoßen wird, wenn das Herz und unter starker Anspannung und Druck steht. Das bedeutet, das BNP setzt einerseits die sympathische Aktivität des Körpers herab, es vermindert die Aldosteron- und Renin-Konzentration im Blut und fördert über die Nieren die Natrium- und Wasserausscheidung. Wir können uns das BNP zunutze machen, weil wir es bestimmen können. Im klinischen Alltag hat sich allerdings bewährt, das NT-pro-BNP zu bestimmen. Das ist ein einfacher Parameter, weil es hier einen einfachen Cutoff gibt von 125 Pikogramm pro Milliliter. Wenn der Wert darunter ist, dann können wir mehr oder weniger eine chronische Herzinsuffizienz ausschließen. Bei einer akuten Herzinsuffizienz verändern sich die Werte ein kleines bisschen. Das heißt, hier ist der Cutoff-Wert über 450 Pikogramm pro Milliliter bei den jüngeren Patienten unter 50 Jahren, bei den Patienten über 50 Jahren ist der Cutoff 900 Pikogramm pro Milliliter.
Wann sollen wir jetzt zum Kardiologen überweisen? Einerseits natürlich, wenn wir diese Dekompensationszeichen sehen, andererseits, wenn wir eine Dyspnoe-Symptomatik haben und wenn der NT-pro-BNP-Wert über 125 Pikogramm pro Milliliter ist. Was macht der Kardiologe? Er macht natürlich eine Echokardiografie, um einerseits ein Klappenvitium als Ursache der Herzinsuffizienz auszuschließen oder zu verifizieren, andererseits bestimmt er die sogenannte linksventrikuläre systolische Funktion, um die Herzinsuffizienz entsprechend in die hochgradig, mittelgradig oder gering bis normal eingeschränkte linksventrikuläre systolische Funktion einzuteilen, und es wird eine Linksherzkatheter-Untersuchung durchgeführt, um eine stenosierende, koronare Herzerkrankung auszuschließen.
Dieses Workup bildet dann die Grundlage für die medikamentöse Basistherapie. Zum Schluss nur noch ein Wort: Wann soll ich dringlich zum Kardiologen schicken? Wir wissen, dass die Wartezeiten zum Teil vier, fünf oder sechs Wochen sind. Einige unserer Patienten können aber solange nicht warten. Also sprich, wenn sie im klinischen NYHA-Stadium drei oder vier sind, dann sollte der Patient dringlich zum Kardiologen geschickt werden. Ich hoffe, ich konnte Ihnen ein bisschen helfen für den klinischen Alltag und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
#00:09:25-7#
Dr. med. Jan Lokies
Der Beitrag von Frau Professor Richartz hat uns Folgendes gezeigt: Die Herzinsuffizienz hat eine hohe Fünf-Jahres-Mortalität und die Prognose ist für unsere Patientinnen und Patienten relevant. Diese ist verbunden mit verschiedenen Faktoren, die unsere Therapieüberlegungen beeinflussen. Ebenso unerlässlich ist die genaue Diagnose der Art der Herzinsuffizienz, da die spezifische Pathologie der Herzinsuffizienz unsere nachfolgende Basistherapie mitbestimmen kann. Grundsätzlich kommen bei der Herzinsuffizienz, insbesondere bei der Form der eingeschränkten linksventrikulären Pumpfunktion, der sogenannten HFrEF, verschiedene Therapieoptionen in Frage, wie zum Beispiel die kausale Therapie der Grunderkrankung, die Pharmakotherapie, aber sicherlich auch und ganz im Besonderen, ein klarer Blick auf die Lebensumstände und die Begleiterkrankungen unserer Patientinnen und Patienten. Ein mittlerweile breites Therapiespektrum bei HFrEF ermöglicht die Berücksichtigung medizinischer und patientenindividueller Therapieziele, um eine optimale Therapieentscheidung hinsichtlich der Lebensdauer und Lebensqualität zu treffen. Was bei der Basistherapie der HFrEF berücksichtigt werden sollte, welche Limitationen und Instrumente Einfluss auf die Therapieüberlegung haben, dies wird im folgenden Beitrag von Herrn Professor Kühlmuß erläutert.
#00:11:15-1#
Basistherapie der HFrEF
Professor Dr. med. Bernd Kühlmuß
Meine sehr geehrten Damen, liebe Kolleginnen und Kollegen, mein Name ist Bernd Kühlmuß, ich bin Internist und Kardiologe, nach 25 Jahren Klinik seit zwei Jahren in der Praxis tätig und in meiner Praxis in Biberach bin ich jetzt auch gerade. Ich will mit Ihnen sprechen über die Herzinsuffizienz und die Basistherapie der Herzinsuffizienz.
Herzinsuffizienz ist ein Dauerbrenner und hat allgegenwärtig Bedeutung für uns. Weshalb? Es handelt sich um die häufigste Klinikeinweisungsdiagnose in Deutschland. Fast 500.000 Fälle pro Jahr werden mit dieser Diagnose in die Klinik eingeliefert. Das ist schlimm genug. Schlimmer noch ist, dass etwa ein Drittel dieser Menschen innerhalb eines Jahres verstirbt. Auch wer nicht wegen einer dekompensierten Herzinsuffizienz in die Klinik eingeliefert wird, hat eine fünfzigprozentige Wahrscheinlichkeit, innerhalb der nächsten Jahre, der nächsten fünf Jahre, zu versterben. Das zeigen viele Daten aus Deutschland und auch im Jahr 2019, 2020 aus Großbritannien. Diese Menschen haben ein Recht auf eine optimale Behandlung. Deshalb auch die Frage: Was ist die richtige Therapie für diese Menschen? PARADIGM-HF als Studie hat uns bereits im Jahr 2014, 2015 gelehrt, dass die Menschen nicht den typischen Verlauf haben, ich bin krank, ich dekompensiere, ich werde rekompensiert, dekompensiere, werde rekompensiert und es wird zunehmend schlechter, es geht also kontinuierlich bergab. In dieser Studie, die sehr viele relativ a- bis oligosymptomatische Patientinnen und Patienten eingeschlossen hat, haben wir wieder einmal gezeigt bekommen, dass das erste echte Symptom der Herzinsuffizienz der Tod sein kann. Das bedeutet, dass eine optimale Therapie bereits zu Beginn der Diagnostik eingeleitet werden muss. Dieses Wissen wurde durch viele Studien im weiteren Verlauf unterstützt.
Zu den Leitlinien: Welche Leitlinien haben wir, an denen wir uns orientieren können oder sollten? Zunächst, wenn wir national beginnen, die nationale Versorgungsleitlinie zur Herzinsuffizienz in Deutschland, dann die europäischen Leitlinien, die alle fünf Jahre kommen, und dann haben wir die US-amerikanischen Leitlinien. Hier können wir Orientierung finden. Herzinsuffizienz ist keine Krankheit, sondern ein Zustand, in den wir geraten, ein Syndrom, ein Symptomenkomplex. Die Symptome können aber so moderat ausgeprägt sein, dass sie gar nicht apparent im Alltag erscheinen. Die häufigste Ursache für die Herzinsuffizienz ist natürlich der Bluthochdruck und die koronare Herzkrankheit. Wenn wir von hier ableiten auf die Therapie, dann müssen wir natürlich feststellen, dass, wenn immer möglich, eine kausale, ursächliche Therapie erwogen werden muss. Wenn Sie die Ursachen beseitigen können, tun Sie das. Wenn wir über Therapie sprechen, sprechen wir nicht nur über Pharmakotherapie, sondern wir sprechen auch über Lebensumstände, Begleiterkrankungen, psychosoziale Begleitungen und viele andere Dinge mehr. Die körperliche Bewegung ist für Patienten mit Herzinsuffizienz enorm wichtig und auch rehabilitative Verfahren haben einen hohen Stellenwert.
Das sagt nicht nur die Leitlinie. Spielt das Alter der Menschen eine Rolle? Selbstverständlich spielt das Alter eine Rolle. Dann schaut man einmal in die FORTA-Liste, also Fit fOR The Aged, die ist frei im Internet, kostenlos, für alle ersichtlich und wenn man darauf schaut, sieht man, dass der Mineralokortikoidrezeptorantagonist hier mit C klassifiziert hat, also Vorsicht, während (Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitoren) ARNI und Betarezeptorenblockade die Klassifikation A, unbedingt notwendig, erhalten hat. So kann man einen sehr pragmatischen Weg finden, seine Patienten optimal zu therapieren bezüglich der Lebensqualität, aber auch der Lebensdauer. Das funktioniert nach meiner Auffassung und nach meiner persönlichen Erfahrung in der Klinik wie in der Praxis extrem gut.
Spielt Corona eine Rolle? Ja, Corona spielt eine Rolle für uns. Wir wissen, dass Patienten mit Komorbiditäten eine höhere Morbidität und Mortalität haben. Sie wissen alle, dass die STIKO zusammen mit der Leopoldina und dem deutschen Ethikrat Empfehlungen für die Corona-Virus-Impfverordnung erlassen hat und auf den STIKO-Empfehlungen basierend wissen wir, dass die herzinsuffizienten Patienten eine sehr erhöhte Morbidität haben, während sie nur eine moderat erhöhte Mortalität haben. Aber auch diese beiden Fakten bewirken für mich, dass ich mich noch intensiver um eine optimale medikamentöse Einstellung der Patienten bemühe.
Mein Fazit: sauber diagnostizieren, konsequent therapieren und nicht in der Mitte des Weges stehenbleiben. Ich danke Ihnen für ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, viel Erfolg bei der Therapie Ihrer Patienten.
#00:17:07-5#
Dr.med. Jan Lokies
Der Beitrag von Professor Kühlmuß zeigt ganz deutlich, die Therapie der Herzinsuffizienz setzt sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen und es stehen uns zusätzliche Hilfsmittel, wie die FORTA-Liste, zur Verfügung, anhand derer wir die medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Pumpfunktion optimieren können. Darüber hinaus geben uns die Leitlinien einfache Handlungsanweisung und empfehlen, frühzeitig zu behandeln. Man spricht nun von den vier Säulen der Basistherapie der Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Pumpfunktion.
Vier Säulen in vier Wochen. Die Leitlinienempfehlungen vom ESC aus dem Jahr 2021 enthalten viele Neuerungen zur Basistherapie, so auch moderne Therapieansätze und neue Substanzen, die das Fortschreiten der Erkrankung bremsen und / oder kontrollieren sollen. Die Neuerungen der Leitlinien von 2021 werden im folgenden Beitrag von Herrn Professor Tschöpe skizziert. Eine wesentliche Änderung betrifft hierbei den Therapiealgorithmus, der sich nun ganz deutlich von dem alten Konzept unterscheidet.
#00:18:44-5#
Die neue Leitlinie „Heart Failure“ vom ESC 2021
Professor Dr. med. Carsten Tschöpe
Einen schönen guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich freue mich, Sie heute hier begrüßen zu können. Mein Name ist Professor Carsten Tschöpe. Ich bin Professor für Kardiologie an der Charité in Berlin und einer meiner Spezialgebiete ist die Herzinsuffizienz zusammen mit den Kardiomyopathien.
Es gab den Kongress der HFA, der europäischen Herzinsuffizienz Association, sprich Gesellschaft, und da hatte man schon einmal einen ersten Einblick bekommen, wie diese Guidelines aussehen werden bezüglich des medikamentösen Ansatzes und der Herzinsuffizienz-Definitionen. Das ist sehr spannend. Natürlich stellen sich viele Fragen: Werden die ersten Herzinsuffizienz-Definitionen so bleiben? Wir haben 2016 in den Guidelines zumindest drei Klassifikationen gehabt mit HFrEF, Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion, HFrEF mit reduzierter oder HFpEF mit preserved noch erhaltener Ejektionsfraktion. Von dem, was wir jetzt lernen durften auf dem Kongress in Florenz, werden diese drei Begrifflichkeiten soweit bleiben mit einer kleinen Ausnahme, HFmrEF heißt jetzt mildly reduced und bezeichnet die Form der Herzinsuffizienz, wo die Ejektionsfraktion zwischen vierzig und fünfzig Prozent ist. Jetzt war die Frage, wie würden die europäischen Guidelines hier aussehen? Hier wird auch von einer Basistherapie gesprochen. Hier wird der ACE-Hemmer oder der ARNI als Klasse 1a oder 1b-Indikation empfohlen, zusammen mit dem Betablocker, dem Aldosteronantagonisten, und neu in die Guidelines auch für Europa aufgenommen als eine 1a-Indikation die SGLT2-Rezeptor-Inhibitoren. Wenn der Patient dann stabilisiert ist, auch dann ähnlich wie die kanadischen Guidelines, kann geschaut werden, von was der Patient vielleicht noch profitieren könnte. Bleiben wir bei dem sinustachykarden Patienten, ist die Herzfrequenz dort trotz Betablockern noch nicht bei 60 Schlägen pro Minute, dann soll Ivabradin hinzugegeben werden. Der SGLT2-Rezeptor-Inhibitor ist vorher schon an Bord. Das gilt sowohl für diabetische herzinsuffiziente Patienten als auch nicht-diabetische herzinsuffiziente Patienten, teilweise bis zu einer GFR von dreißig pro Minute.
Aber lassen Sie mich noch einmal darauf zurückkommen, was diese Basistherapie jetzt bedeutet, die als Basistherapie bei allen Patienten an Bord sein soll. Sie soll nicht nur einfach an Bord sein, sondern sie sind auf eine Linie gestellt worden, weil man zum Ausdruck bringen möchte, dass man möglichst schnell diese Substanzen an Bord hat bei den Patienten. Ein Schlagwort, da kann der eine oder andere darüber schmunzeln, ist, dass diese vier Substanzen in möglichst vier Wochen bei den Patienten an Bord sind. Das klingt etwas ambitioniert, weil man sich dann vielleicht auch im Alltag fragt, wie soll das denn geschehen, wie häufig muss ich in der Praxis, in der Niederlassung meinen Patienten letztendlich sehen? Aber das ist die Zielvorgabe und diese Zielvorgabe, jetzt nicht nur diese vier Substanzen zu haben, von denen man weiß, dass sie wirklich das Leben verlängern, ist hier das Spannende, sondern die Zielvorgabe, dass das mit dieser Geschwindigkeit passieren soll. Warum ist das so?
Wir haben gelernt zum einen, dass ungefähr in den ersten drei Monaten bei einem Patienten, der eine Herzinsuffizienz hat und die sich verschlechtert hat und die da rekompensiert wird oder überhaupt eine Herzinsuffizienz bekommen hat, dass wir da sehr viele Patienten bezüglich Re-Hospitalisationsrate und Mortalität verlieren, gerade in den ersten drei Monaten. Wenn wir natürlich jetzt ein Therapiekonzept vorschlagen, wo man bis zu vier Monate braucht, bis alle Medikamente überhaupt an Bord sind, dann versteht man schon, dass man hier eine zeitliche Lücke hat und die Effektivität der Substanzen. SGLT2-Rezepor-Inhibitoren sind in der Lage, wenn sie on top zu den anderen Medikamenten gegeben werden, in den ersten 28 Tagen nach Initiierung der Therapie schon Hospitalisationsrate und/oder Mortalität signifikant zu verbessern.
Ähnlich ist es auch für den ARNI. Das heißt, diese Zeit möchte man nicht verlieren. Dann gibt es auch die Studien zum ARNI, dass die Patienten schon im Krankenhaus schnell und relativ hoch titriert werden und zusammen mit der Idee, die vier Medikamente möglichst schnell, nehmen wir es einfach als Stichwort, die vier in vier Wochen an Bord zu haben, weil die Substanzen so effektiv sind, dass sie die frühen Mortalitätsraten mit abdecken können, was die anderen Medikamente, wie klassischerweise ACE-Hemmer oder auch der Betablocker, in ihren Studien nicht zeigen konnten, führte zu diesem Sinneswandel. Das finde ich super spannend. Wir werden viele Fragen haben, bei welchen Patienten wir mit diesen Vieren anfangen sollen, auch wenn nachher nach vier Wochen alle da sein sollen. Manche kommen und sagen, das Sudden-Death-Risiko ist so hoch, deswegen fange ich sofort mit dem Betablocker und mit einem SGLT2-Rezepor-Inhibitor an. Ich denke mir, da gibt es Patienten, da macht das Sinn, da gibt es auch Patienten, da macht das keinen Sinn. Gerade zum Beispiel, wenn er vielleicht schon bradykard ist oder wenn er sehr hypertensiv ist, dann würde man vielleicht eher mit einem Renin-Angiotensin-Inhibitoren-Konzept letztendlich anfangen. Aber die Idee, vielleicht mit zwei, drei Medikamenten anzufangen und dann in den nächsten fünf Tagen das Quartett beginnen zu vervollständigen und immer weiter aufzutitrieren, das ist tatsächlich ein Konzept, was spannend ist, aber im Alltag natürlich auch nicht einfach umzusetzen sein wird. Aber was wir jetzt schon sehen, ist, das sind revolutionäre neue Ansätze. Es wird von alten Konzepten Abstand genommen, was die Stufentherapie letztendlich betrifft.
Wir haben die Basistherapie eingeführt und das ist sehr wichtig und sehr gut und noch einmal ein großer Schritt nach vorne, dass wir die vielen Studien, die gerade in den letzten vier, fünf Jahren veröffentlicht worden sind, hier unter einen Hut bekommen mit einem hohen Empfehlungsgrad, sodass wir eine gute Chance haben, ein gutes Tool in unserer Hand haben werden, den Patienten mit diesem schweren Krankheitsbild noch besser helfen zu können. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
#00:25:24-9#
Dr. med. Jan Lokies
Der Beitrag von Professor Tschöpe zeigt sehr gut, dass durch den Einsatz entscheidender Substanzklassen die Re-Hospitalisierungsrate und die Sterblichkeit der Patient*innen deutlich reduziert werden können. Eine frühe Therapieeinleitung ist sehr wichtig und neu ist das All-In mit den vier effektivsten Medikamenten in einer Linie, erst alle Therapien in niedriger Dosierung beginnen, dann auftitrieren.
Es ist dabei wichtig, keine Therapie auszulassen aufgrund der Aufdosierung. Ein stufenweiser Ansatz, bei dem die Medikamente nacheinander über einen längeren Zeitraum aufbauend eingesetzt werden, soll nicht mehr erfolgen. Der Einsatz von Sacubitril/Valsartan der Klasse ARNI wurde in den ESC-Leitlinien von 2021 neu eingeordnet. Eine Netzwerk-Metaanalyse hat den Einsatz von ARNI bei Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter linksventrikulärer Pumpfunktion im Hinblick auf die Mortalität ausgewertet. Ergebnisse dieser Analyse fasst nun Herr Professor Haghi zusammen und ordnet anhand der Ergebnisse das Einsatzspektrum von ARNI in der täglichen klinischen Praxis ein.
#00:27:00-9#
Sacubitril/Valsartan: Wann ist der richtige Zeitpunkt?
Prof. Dr. med. Dariusch Haghi
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein Name ist Dariusch Haghi. Ich bin niedergelassener Kardiologe in einer großen, überregionalen, kardiologischen Praxis mit dem Hauptsitz in Ludwigshafen und habe das große Vergnügen, Ihnen über den Einsatz von Sacubitril/ Valsartan in der Behandlung von Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter systolischer LV-Funktion, also HFrEF, zu berichten.
Mit Hilfe von Netzwerk-Metaanalysen, einem Verfahren, mit dem wir Therapien, die nicht direkt miteinander verglichen wurden, miteinander vergleichen können, zeigt sich, dass die heutige Behandlung, der HFrEF aus der Kombination Betablocker, Sacubitril/Valsartan und Spironolacton oder Eplerenon die Sterblichkeit der Patienten mit HFrEF um mehr als sechzig Prozent reduziert hat. Guidelines der europäischen und amerikanischen Fachgesellschaften geben relativ klare und auch relativ einfache Handlungsanweisungen, wie Patienten mit einer HFrEF zu behandeln sind. Obwohl das relativ einfache Handlungsanweisungen sind, gibt es nach Studien, die in verschiedenen Ländern durchgeführt wurden, weiterhin einen nicht unerheblichen Teil von Patienten mit HFrEF, die nicht in den Genuss dieser modernen Therapie kommen. Wenn man sich fragt, warum ist das so, gibt es nach meiner Erfahrung vielleicht unter anderem zwei Gründe, die ich kurz mit Ihnen besprechen würde.
Ein Grund ist die Unsicherheit, wie lange sollen Patienten vorbehandelt sein, mit einem ACE-Hemmer oder AT1-Blocker, bevor wir diesen Wechsel vornehmen. Dazu braucht man sich nur die Zulassungsstudie für Sacubitril/Valsartan anzugucken. Dort war es so, dass die Patienten lediglich vier Wochen vorbehandelt werden mussten, stabil sein mussten unter dieser Therapie, und dann konnte schon der Einschluss in die Studie erfolgen. Bei dieser Vorgehensweise konnte man den kombinierten Endpunkt, der aus Hospitalisation für Herzinsuffizienz oder kardio-vaskulärer Tod bestand, bei Behandlung von 21 Patienten einen Endpunkt verhindern, und wenn man sich den harten Endpunkt der Sterblichkeit aus kardio- vaskulärer Ursache anguckt, dann mussten 32 Patienten behandelt werden, damit ein Todesfall verhindert wird.
In späteren Studien, die TRANSITION-Studie und die PIONEER-HF-Studie, bei denen ein Viertel bei der ersten Studie oder fünfzig Prozent ungefähr bei der zweiten Studie der Patienten therapienaiv waren, was einen ACE-Hemmer oder AT1-Blocker betrifft, wurden Patienten nach akuter Dekompensation im Krankenhaus oder kurz nach Entlassung auf Sacubitril/Valsartan eingestellt, und auch diese beiden Studien haben gezeigt, dass selbst diese schwerkranken Patienten relativ früh im Verlauf mit einer solchen Therapie behandelt werden können.
Die zweite Unsicherheit, die sich nach meiner Erfahrung er- geben kann, weshalb die Patienten, die Sacubitril/Valsartan eigentlich erhalten sollten, diese Therapie noch nicht haben, bezieht sich auf die Frage, ob man wenig symptomatische Patienten oder in Anführungszeichen stabile Patienten unbedingt umstellen sollte. Es gibt leider das weit verbreitete Missverständnis, stabile oder wenig symptomatische Patienten gleichzusetzen mit Patienten, die eine gute Prognose haben. Dem ist leider nicht so. Wenn Sie sich zum Beispiel Daten dieser Studie angucken, bei der man nach der Sterblichkeit, der Fünf-Jahres-Sterblichkeit, von Patienten verschiedener Gruppen geguckt hat, sehen Sie, dass alleine die Tatsache, dass jemand eine strukturelle Herzerkrankung hat, das sind nicht unbedingt Patienten, die eine reduzierte LV-Funktion haben müssen, sondern die überhaupt eine strukturelle Herzerkrankung haben oder eine strukturelle Herzveränderung haben und asymptomatisch sind, dass diese Patienten eine Sterblichkeit haben, die fast doppelt so hoch ist wie die Sterblichkeit bei Menschen, die keine strukturelle Herzveränderungen haben.
Wenn sie aber klinisch herzinsuffizient sind, auch wenn es nur milde Herzinsuffizienz-Symptome sind, dann ist die Sterblichkeit bereits mehr als sieben Mal so hoch. Wenn Sie sich die Daten der PARADIGM-HF-Studie angucken, und zwar die Sterblichkeitsraten, und sich anschauen, wie war das bei den Patienten, die entweder am plötzlichen Herztod oder an einem Fortschreiten der Herzinsuffizienz verstorben sind, so sehen Sie, dass mehr als sechzig Prozent dieser Patienten in beiden Gruppen zu Beginn der Studie im NYHA-Stadium 2 waren und die Studie hatte einen medianen Beobachtungsverlauf von 27 Monaten. Was die Wirksamkeit von Sacubitril/Valsartan betrifft, so sehen Sie, dass bei NYHA2-Patienten die Therapie mindestens genauso wirksam ist wie bei Patienten im NYHA-Stadium drei oder vier, wenn sie sich die Daten der PARADIGM-HF-Studie noch einmal diesbezüglich anschauen möchten. Auch die Idee, zu warten, bis sich ein Patient klinisch verschlechtert, ist keine gute Idee, denn Sie sehen hier bei dieser Studie, bei der man die klinische Verschlechterung definiert hat als eine Krankenhausaufnahme wegen dekompensierter Herzinsuffizienz bei Patienten mit vorbekannter Herzinsuffizienz oder aber auch nur eine Erhöhung der Diuretikadosis, so sehen Sie, dass nach dieser Verschlechterung die Sterblichkeit dramatisch hoch ist: Dreißig Prozent Sterblichkeit in zwei Jahren. Deswegen ist es wahrscheinlich auch hier keine besonders gute Idee zu warten, bis sich die Patienten tatsächlich verschlechtern. Sollten aus welchen Gründen auch immer Sie sich dazu entschließen zu warten, denken Sie bitte daran, klinische Hinweise auf eine mögliche Progression der Herzinsuffizienz können sein: abnehmende körperliche Leistungsfähigkeit, steigender Diuretikabedarf, zunehmende Verschlechterung der Retentionsparameter, zunehmende Hyponatriämie, Hypotonieneigung oder zunehmende Intoleranz von Betablockern und/oder ACE-Hemmern/AT1-Blockern, ein unklarer Gewichtsverlust und wiederholte ICD-Entladungen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
#00:35:05-2#
Dr. med. Jan Lokies
Die von Herrn Professor Haghi vorgestellten Daten zeigen, dass Warten zu einer Verschlechterung des klinischen Verlaufs unserer Patientin führen kann. Auf der anderen Seite gibt es klinische Hinweise, die auf eine mögliche Progression der Herzinsuffizienz hindeuten, sodass einer klinischen Verschlechterung frühzeitig begegnet werden kann. Das Therapiespektrum hierfür hat sich in den letzten Jahren deutlich erweitert.
Trotz Überwachung kann es zu einer klinischen, akuten Dekompensation kommen. Nach Angaben der ESC-Leitlinie ist die akut dekompensierte Herzinsuffizienz die häufigste Form der akuten Herzinsuffizienz und macht in etwa fünfzig bis siebzig Prozent der Fälle aus. Welche Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stehen, wenn es doch zur Dekompensation kommt, dies berichtet nun Herr Professor Bergmann anhand eines Fallbeispiels. Bei diesem Fallbeispiel konnten die Ergebnisse der PIONEER-HF-Studie zum Thema „Akut dekompensierte Herzinsuffizienz“ optimal in den Versorgungsalltag integriert werden.
#00:36:38-2#
Der dekompensierte Patient
Prof. Dr. med. Martin Bergmann
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie hier aus dem schönen Hamburg, ganz konkret der Asklepios-Klinik Altona. Wir beschäftigen uns hier schwerpunktmäßig mit dem Thema Herzinsuffizienz und ich werde in den nächsten Minuten einen kurzen Abriss des aktuellen Stands dieses hochinteressanten Themas für Sie zusammenstellen.
Die Herzinsuffizienz ist ein ganz spannendes Thema, weil wir in den letzten Jahren eine ganze Reihe von zusätzlichen Behandlungsmöglichkeiten an die Hand bekommen haben, die es uns erlauben, diesen meist älteren Patienten eine deutlich bessere Lebensqualität zu erlauben und die tatsächlich sogar auch einen Effekt auf die Mortalität dieser doch schweren Erkrankung haben. Die Therapie der Herzinsuffizienz ist inzwischen so vielfältig geworden, dass große Kliniken, wie wir sie hier in Altona in der Abteilung Kardiologie zu bieten haben, notwendig sind. Ich habe ein Fallbeispiel mitgebracht, ein Patient, den ich jetzt über mehrere Jahre betreue, und als ich ihn 2014 kennenlernte und er sich der Betreuung anvertraute, man leider sagen musste, dass die Lebenserwartung schon deutlich eingeschränkt war. Sie sehen hier den deutlich dilatierten linken Ventrikel mit eingeschränkter Pumpfunktion. Er hatte zu dem Zeitpunkt schon eine ICD-Sonde im rechten Ventrikel, aber trotzdem eine Luftnot NYHA III, also bei leichter Belastung schon erhebliche Einschränkungen. Die Nierenfunktion war auch schon angegriffen und es bestand zusätzlich ein Diabetes mellitus.
Medikation war, wie leitliniengerecht damals gefordert, zunächst mit Ramipril, Aldosteronantagonist, Spironolacton und den Betablockern. Er war schon auf einer relativ hohen Dosis von Schleifendiuretika. Das ist schon einmal immer ein schlechtes Zeichen, weil es uns prognostisch keinen Benefit bringt, sondern nur noch notwendig ist, um überhaupt eine Stabilisierung zu erreichen. Die Maßnahme, die hier also anstand, war der Wechsel auf einen ARNI mit den notwendigen zwei Tagen Pause, damit es hier zu keinen Interaktionen kommt. Die große Frage ist dann immer, mit welcher Dosierung starten? Da hat uns die PIONEER-HF-Studie auch bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion gezeigt, dass der schon initiale Therapiestart mit einer Dosierung von 49/51 mg zweimal am Tag gegeben bei Blutdruck über 120 den Patienten stabilisiert. Nur bei einem Blutdruck darunter ist es tatsächlich notwendig, hier mit der niedrigeren Dosierung zu starten.
In der Praxis ist es tatsächlich so, dass wir hier meist den zweiten Schritt erst bei der zweiten ambulanten Vorstellung gehen, also meist ein bisschen später. Ziel ist es aber auf jeden Fall, mindestens auf die 49/51-Dosierung zu kommen, wenn nicht bei Weiterbestehen der Dyspnoe auf 97/103, also die ganz hohe Dosierung. Wichtig ist auch immer, dass man einmal über den Volumenstatus des Patienten zu diesem Zeitpunkt des Therapiestarts nachdenkt. Eine zu hohe Schleifendiuretikadosis führt natürlich häufiger zu hypotensiven Phasen, wie ein euvolämer Zustand. Ganz praktisch ist es so, dass sich viele angewöhnt haben, sicherlich hier zu diesem Zeitpunkt schon die Dosis des Schleifendiuretikums zu halbieren. Bei diesem Patienten war es damals sehr beeindruckend, dass sowohl das NT-pro-BNP als Zeichen der Herzinsuffizienz, wie auch die Nierenfunktion, angezeigt mit dem Kreatinin und dem Kalium, sich parallel deutlich verbesserte. Das ist ein Effekt, den wir inzwischen bei vielen Patienten gesehen haben und der die Sicherheit dieser Substanzklasse noch einmal zeigt. Eine eingeschränkte Nierenfunktion ist hier keine Kontraindikation, den Wechsel vorzunehmen, und bringt häufig eine Stabilisierung. Zusammenfassend: Die Herzinsuffizienz ist ein nur mit viel Aufwand zu überblickendes Thema.
Ich denke, dass eine Zusammenarbeit auf allen Ebenen zwischen Patient, Hausarzt, niedergelassenem Facharzt, dem Facharzt in der Klinik und mit einer Abteilung, die sich in diesem Thema spezialisiert/widmet wichtig ist, um einerseits akut die Kompensation mit der üblichen Wassereinlagerung, Notaufnahme, Stauungspneumonie zu verhindern, die andererseits natürlich aber auch keine Übertherapie einleitet. Eine gute Kombination aus medikamentöser Einstellung, interventionellen Maßnahmen und die Device-Maßnah- men verspricht da häufig eine dauerhafte Stabilisierung, wie auch bei dem gezeigten Patienten, der sich weiterhin einer stabilen, guten Lebensqualität erfreut trotz der nun über mehrere Jahre schlechten Pumpfunktion. Herzlichen Gruß aus Hamburg und auf gute Zusammenarbeit.
#00:42:00-3#
Dr. med. Jan Lokies
Wie Herr Professor Bergmann dargestellt hat, gibt es zur Therapie der akuten Herzinsuffizienz mittlerweile eine gute Datenlage, die aber auch zeigt, dass es bei Warten zu einer Verschlechterung der Prognose unserer Patientinnen und Patienten kommt. Strukturveränderungen am Herzen haben einen großen Einfluss auf die Prognose von Patienten mit Herzinsuffizienz. Auch hierzu gibt es Daten, die zeigen, dass sich mit einer Therapie strukturelle und funktionelle Verbesserungen erreichen lassen. Bewerten lässt sich dies im Rahmen der kardialen Diagnostik anhand von Biomarkern, wie beispielsweise dem NT-pro-BNP, und funktionellen Parametern. Im Detail wird dies im folgenden Beitrag von Herrn Dr. Fechtrup dargestellt, der für Sie Studiendaten einordnet und ein Fallbeispiel aus seiner Praxis vorstellt.
#00:43:05-5#
Strukturverbesserung direkt am Herzen
Dr. med. Christian Fechtrup
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein Name ist Christian Fechtrup, ich bin niedergelassener Kardiologe in Münster mit einem besonderen Interesse an der Behandlung von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz. Ich möchte Ihnen heute einiges über die Bedeutung struktureller Veränderung bei Patienten mit Herzinsuffizienz und reduzierter linksventrikulärer Funktion berichten.
Man muss sich einmal klarmachen, welche Grunderkrankung der chronischen Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikuläre Funktion zugrunde liegt. Das ist häufig die koronare Herzerkrankung mit rezidivierenden Infarkten und Revaskularisationen. Diese Prozesse führen zu einer Vernarbung des Herzens und zu einem strukturellen Umbau. Dieser strukturelle Umbau bedingt dann letztendlich die verschlechterte Funktion der linken Herzkammer. Zu ähnlichen Resultaten kommt es über zum Beispiel entzündliche Veränderungen des Herzens, Myokarditiden, über arterielle Hypertonie. All diese Erkrankungen gehen letztlich mit einer zunehmenden Fibrosierung des Herzens einher und in dieses System einzugreifen und pharmakologisch zu intervenieren, ist ein prognostisch bedeutsamer Schritt, den wir bei der Therapie gehen können. Die Bedeutung des strukturellen Umbaus des Herzens für die Prognose des Patienten kann man ablesen an einigen Studiendaten, die wir haben.
So ist es zum Beispiel bei der CHARM-Studie nachweisbar gewesen, dass eine Verschlechterung der linksventrikulären Ejektionsfraktion um nur zehn Prozent zu einer Zunahme des Endpunktes kardio-vaskulärer Tod oder Hospitalisierung um 45 Prozent geführt hat. Für den kardio-vaskulären Tod alleine war die Zunahme 57 Prozent. Es ist aber nicht nur die linksventrikuläre Ejektionsfraktion, die die Prognose abbildet, sondern auch echokardiographisch fassbare Parameter haben eine erhebliche Bedeutung, so zum Beispiel eine Zunahme des linksventrikulären enddiastolischen Volumens. Wenn wir eine Verschlechterung des enddiastolischen Volumens um nur zehn Milliliter haben, so bedeutet dies in einer Studie, VALIANT ECHO Studie, eine Zunahme der Wahrscheinlichkeit für Tod oder Hospitalisierung um neun Prozent, und für zehn Milliliter Zunahme des endsystolischen Volumens lag der Endpunkt bei plus 15 Prozent. Sie sehen also sehr deutlich, die Veränderungen der Struktur des Herzens haben sehr viel mit der Prognose des Patienten zu tun. Daten zur Bedeutung von Strukturverbesserung des linken Herzens liegen nicht nur retrospektiv für eine Verschlechterung der Prognose bei Verschlechterung der Parameter vor, sondern auch für eine Verbesserung durch Therapie. In der PROVE-HF-Studie, die in 2019 veröffentlicht wurde, wurde die Auswirkung einer Behandlung mit Sacubitril/Valsartan in Bezug auf eine Veränderung von NT-proBNP, echo- kardiographischen Parametern und der Prognose untersucht. Die Studie hatte ein klares Design. Es wurden Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz im Stadium NYHA II bis NYHA IV eingeschlossen. Sie wurden offen mit Sacubitril/Valsartan behandelt, das nach Möglichkeit leitliniengerecht auftitriert wurde, und es wurden echokardiographische Untersuchungen zum Zeitpunkt des Therapiebeginns, nach einem halben Jahr und nach einem vollständigen Jahr durchgeführt. Zusätzlich wurde in Laborkontrollen der Verlauf des NT-proBNP dokumentiert.
Sie sehen hier, wie zu erwarten, die Abnahme der Konzentration von NT-proBNP im Verlauf. Diese Entwicklung überrascht sicherlich nicht, aber was besonders auffällig ist, sind die Auswirkungen auf die funktionellen Parameter des Herzens. Sie sehen, dass bei den Echokontrollen nach einem halben Jahr und einem ganzen Jahr die linksventrikuläre Ejektionsfraktion sich um 5,2 beziehungsweise 9,4 Prozent verbessert hatte. Die echokardiographischen Parameter des linksventrikulären enddiastolischen Volumens hatten hingegen abgeno
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