Dengue im Jahr 2022

Zertifiziert in D, A bis 31.08.2024, 2 CME-Punkt(e)

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Dengue-Fieber ist die vektorübertragene Infektionskrankheit mit den am schnellsten steigenden Fallzahlen und wurde von der Weltgesundheitsorganisation WHO 2019 zu einer der zehn größten Bedrohungen der weltweiten Gesundheit erklärt. Daher sollten Ärzte bei Reiserückkehrern mit grippeähnlichen Symptomen eine Dengue-Infektion in Betracht ziehen – und das nicht nur bei Reisenden aus Asien oder Latein-Amerika. Die asiatische Tigermücke als eine Überträgerin der Erkrankung ist bereits in Europa angekommen.

Im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e.V. (DTG) und der Conference on Tropical Medicine and Global Health (CTM) klärten die Referenten über die Verbreitung von Dengue, die klinischen Symptome einer Dengue-Infektion, die Verlaufsformen sowie die Diagnose auf.

Referenten

Prof. Dr. med. Tomas Jelinek
Wissenschaftlicher Leiter, Centrum für Reisemedizin, Düsseldorf
Medizinischer Direktor, Berliner Centrum für Reise und Tropenmedizin, Berlin
Prof. Dr. med. Tino F. Schwarz
Chefarzt Institut für Labormedizin, Impfzentrum Klinikum Würzburg Mitte gGmbH, Standort Juliusspital Würzburg

Chairman

Dr. med. Dr. rer. nat. Carsten Köhler
Direktor Kompetenzzentrum Tropenmedizin, Innere Medizin VII – Institut für Tropenmedizin, Reisemedizin, Humanparasitologie, Universitätsklinikum Tübingen

Für die Bearbeitung dieser Fortbildung steht auch ein Transkript zur Verfügung.

Tutorielle Unterstützung

Die tutorielle Unterstützung der Fortbildungsteilnehmer erfolgt durch unseren ärztlichen Leiter Dr. med. Alexander Voigt in Zusammenarbeit mit der arztCME-Redaktion. Inhaltliche Fragen können über das Kommentarfeld, direkt per Mail an service@arztcme.de oder via Telefon unter Tel.: +49(0)180-3000759 gestellt werden. Inhaltliche Fragen werden von unserem ärztlichen Leiter bzw. nach Rücksprache mit diesem und evtl. dem Autor auch von der arztCME-Redaktion beantwortet.

Technischer Support

Der technische Support der arztCME-Online-Akademie erfolgt durch geschulte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Betreibers health&media GmbH unter der E-Mail-Adresse technik@arztcme.de oder via Telefon unter Tel.: 49(0)180-3000759.

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Zertifiziert in:D, A
Zeitraum:01.09.2023 - 31.08.2024
Punkte:2 CME-Punkte
VNR:2760602023263850001
Zertifiziert von:Landesärztekammer Hessen
Faxteilnahme:Nein
Autor/innen:Prof. Dr. med. Tino Schwarz, Prof. Dr. med. Tomas Jelinek
Sponsor:
Veranstalter:health&media GmbH

Transparenzinformation

Kursinhalt

Einleitung

Dengue-Fieber ist die vektorübertragene Infektionskrankheit mit den am schnellsten steigenden Fallzahlen und wurde von der Weltgesundheitsorganisation WHO 2019 zu einer der zehn größten Bedrohungen der weltweiten Gesundheit erklärt. Daher sollten Ärzte bei Reiserückkehrern mit grippeähnlichen Symptomen eine Dengue-Infektion in Betracht ziehen – und das nicht nur bei Reisenden aus Asien oder Latein-Amerika. Die asiatische Tigermücke als eine Überträgerin der Erkrankung ist bereits in Europa angekommen.

Im Rahmen der Conference on Tropical Medicine and Global Health (CTM) in Rostock vom 24.-25.6.2022, zugleich Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e. V. (DTG) klärten die Referenten über die Verbreitung von Dengue, die klinischen Symptome einer Dengue-Infektion, die Verlaufs- formen sowie die Diagnose auf.

00:00:16

Dr. Dr. Köhler:
Ich begrüße Sie alle ganz herzlich hier zum – auf Neudeutsch gesagt – „Medical Disease Awareness Symposium“. Es geht darum, dass Dengue im Jahr 2022 auch hier gewürdigt werden soll auf dem Kongress für Tropenmedizin. Sie wissen: Die großen Erkrankungen, da gehört Malaria, aber Dengue natürlich auch dazu. Von daher ist es gut, dass wir neben einem Malaria-Symposium auch ein Dengue-Symposium haben. Das Besondere an diesem Symposium ist, dass es aufgezeichnet wird, weil es wird eine Arzt-CME-Fortbildung daraus gemacht, sodass alle diejenigen, die heute nicht hier sein können, das dann noch einmal nachschauen können. Von daher bitte ich auch um gutes Mitmachen und eine freundliche Atmosphäre. Das wird ja dann auch übertragen über den Äther. Jetzt sind alle da. Das ist wunderbar, und ich begrüße ganz herzlich die Kolle- gen Professor Tino Schwarz aus Würzburg und Professor Tomas Jelinek aus Berlin und Düsseldorf und wie auch immer, die beide heute da sind.

00:01:18

Dr. Dr. Köhler:
Professor Schwarz wird anfangen, wird etwas zu Dengue sagen, zur Erkrankung und zur Ausbreitung und danach Professor Jelinek was zur klinischen Symptomatik bei Reiserückkehrern. Und wir werden erst, weil es eben auch um eine Fortbildung geht, erst die beiden Vorträge uns anhören und danach dann Möglichkeiten haben zu diskutieren und Fragen zu stellen. Heute Morgen wurde das schon angesprochen im großen Sympo- sium im Hauptvortrag, „Die vernachlässigten Erkrankungen“, die 20, die von der WHO definiert sind. Eine darunter ist eben auch das Dengue-Fieber, sodass es also unter die vernachlässigten Tropenkrankheiten eingeordnet werden kann. Es ist eine virale Erkran- kung. Was eine virale Erkrankung ist, wissen, glaube ich, seit Covid-19 alle in unserer Bundesrepublik. Es ist aber auch eine vektorübertragene Erkrankung. Das hat Vorteile, wenn Sie sozusagen einen Vektor brauchen, das übertragen wird, kann aber auch Nach- teile haben. Alles Weitere werden gleich meine beiden Kollegen noch ausführen.

00:02:10

Dr. Dr. Köhler:
Ich möchte vielleicht am Anfang noch kurz den Kollegen Schwarz vorstellen. Er ist also Facharzt für Laboratoriumsmedizin, Facharzt für Mikrobiologie und Infektions-Epidemiologie und Chefarzt des Instituts für Labormedizin, also des Impfzentrums des Klinikums Würzburg. Und dann wird immer noch gesagt Standort Julius Spital, und das Tolle am Julius Spital ist ja, dass man sich da um die Heilung der Menschen kümmert, aber eben auch durch die Weinberge und den Wein, den man vertreibt, auch dazu beitragen kann, dass auch den anderen, die sonst gesund sind, das Leben etwas versüßt werden kann. Von daher, glaube ich, ein besonderer Ort, an dem Sie sozusagen, arbeiten dürfen. Lange Rede, kurzer Sinn, ich übergebe direkt an Sie und würde Sie bitten, mit Ihrem ersten Vortrag zu starten. Dengue: Erkrankung und Ausbreitung.

00:02:55

Professor Schwarz:
Lieber Carsten, besten Dank für die Einführung. Ich darf, Du hast das gerade gesagt, Dengue würdigen. Also werde ich Ihnen ein bisschen die Bedeutung von Dengue in der Welt präsentieren. Kurz meinen Interessenkonflikt und dann geht es los. Dengue kennen wir seit vielen Hunderten Jahren. Erstbericht 992 und dann so im 18. Jahrhundert ist erstmals so richtig ein Ausbruch beschrieben worden. Und dann spätestens im letzten Jahrhundert, mit Beginn des Zweiten Weltkrieges, ist Dengue eine ganz wichtige Erkran- kung geworden. Südostasien war natürlich der Hotspot für Dengue. Dann, in den 70er- Jahren: Große Epidemien in Asien und 2019 die Würdigung der WHO in die Top Ten der bösen, gefährlichen Erkrankungen, also in derselben Liga wie Ebola, wie Tuberkulose gehört auch Dengue inzwischen eingeordnet, also eine wichtige Erkrankung.

00:03:54
Dengue ist die weltweit häufigste arbovirale Krankheit mit ansteigenden Fallzahlen.

Wie sieht‘s mit den Zahlen aus? Wir haben Berichte von Dengue aus insgesamt 128 Ländern der Welt. Also fast alle Länder der Welt haben inzwischen Dengue. Und die Fallzahlen sind in den letzten Jahren dramatisch angestiegen (Abb. 1). Gibt viele Ursachen dafür, aber natürlich auch die Awareness ist gestiegen. Und von den Fallzahlen, die wir jedes Jahr schätzen, sind etwa 50 bis 100 Millionen, davon 500.000 Krankenhausaufenthalte und nach WHO-Angaben etwa 20.000 Todesfälle. Aber insgesamt sehen Sie halt eine große Dynamik in dieser, in der Epidemiologie dieser Erkrankung.

 

Abb. 1: Dengue-Fieber ist die weltweit häufigste arbovirale Krankheit [1-4].

00:04:31

Was besonders frappierend ist, wenn wir uns angucken, wie es war in den 60er-Jahren, da war Dengue eigentlich fokussiert auf Südostasien und dann 2012 eine interessante Karte (Abb. 2): Man sieht, Dengue ist im gesamten subtropischen und tropischen Gürtel der Welt angekommen. Also letztlich ein dramatischer Anstieg. Gibt es viele Ursachen dafür, unter anderem auch dieser Transport von alten Autoreifen aus Südostasien zurück in andere Teile der Welt, zum Recycling. Also, wir haben quasi ein selbstgemachtes, iatrogenes Problem verursacht, und jetzt haben wir halt Dengue weltweit global verteilt und müssen mit dem Problem langfristig umgehen.

 

Abb. 2: Zunehmende Bedeutung von Dengue für das Gesundheitswesen in endemischen Ländern [5-11]

00:05:09
Ein Aufenthalt in Südost-Asien birgt das höchste Risiko für europäische Reisende an Dengue zu erkranken.

Todesfälle, hatte ich schon gesagt, etwa so knapp 19.000. Und was natürlich ganz wichtig ist: Wir haben eine sehr schlechte Fallermittlung, weil einfach die Ressourcen in den Ländern, in denen Dengue vorkommt, oftmals limitiert sind und Meldeverfahren, klar, ist schwierig. Milde Verläufe werden nicht erfasst, und so haben wir eigentlich nur eine Momentaufnahme, wie viel Dengue wir wirklich haben, aber wir können es zahlenmäßig nicht genau abbilden. Da sind wir bei Affenpocken inzwischen ein bisschen genauer geworden, zumindest was wir aktuell wissen. Schauen wir uns an, wo ist, wo wird Dengue 2019 registriert? Vor allem Südostasien, aber auch natürlich Lateinamerika ist hauptsächlich betroffen. Aus Afrika gibt es auch immer wieder Berichte von Dengue. Aber die Fallzahlen, was Afrika angeht, sind etwas schwierig zu ermitteln, weil auch hier ist natürlich die Erfassung sehr, sehr schlecht, während Südamerika hier schon deutlich besser ist und vor allem Südostasien sich mit dem Thema Dengue natürlich sehr intensiv beschäftigt. Hier sehen wir Dengue immer noch am Anstieg, und schauen wir uns an, welche Länder die verschiedenen Serotypen hier gemeldet haben, dann sieht man ein sehr buntes Bild. Alle vier Serotypen kommen vor, aber sind unterschiedlich verteilt und auch unterschiedlich häufig.

Dengue wird durch eines von vier verwandten Serotypen verursacht.

Also, Dengue ist durchaus eine Erkrankung, die sehr variabel ist. Vor allem sehen wir Dengue-Typ 1, in der Welt, Dengue-Typ 4 ist inzwischen sehr selten geworden, kommt aber trotzdem noch vor. Und es gibt auch Länder, da kommen alle vier Serotypen gleichzeitig vor. Auch das gibt es.

00:06:53

Man sieht, dass die Dynamik der Dengue-Infektion durchaus sehr variabel ist. Das hier ist ein Bild, es zeigt Ihnen die verschiedenen Serotypen, wo sie vorkommen und man sieht, dass man letztlich schwer vorhersehen kann, welcher Dengue-Typ zukünftig im Jahr so und so dann dort vorkommen wird, weil diese Entwicklung sich sehr, sich laufend verändert. Ich erinnere mich an Geschichten, gerade UN-Einsätze: Grenada oder Kambodscha. Da wurde wirklich Dengue von einem Teil der Welt in den anderen Teil der Welt übertragen. Und das sind natürlich dann genau die Probleme, weswegen wir diese, dieses unterschiedliche Muster immer wieder sehen.

00:07:40

Wo haben wir Ausbrüche gehabt? Sie sehen hier die Berichte über Ausbrüche in verschiedenen Ländern der Welt, und, da sind auch ganz spektakuläre Orte dabei, zum Beispiel Madeira. Hier war dieser Ausbruch wohl eingeschleppt worden oder das Virus eingeschleppt worden aus Venezuela. Also, es gibt auch durchaus sehr ungewöhnliche Orte, wo wir plötzlich Dengue-Ausbrüche sehen, auch so seltene Gegenden, wo man wirklich extrem selten hinkommt, Osterinseln, auch hier hatten wir einen Ausbruch 2002 verzeichnet. Also, man sieht durchaus, ein sehr, sehr buntes Bild und letztlich ist keine Region der Welt gewappnet vor einem Dengue-Ausbruch. Auch das ist vielleicht wichtig, drauf hinzuweisen, dass jedes dieser Länder – da die Vektoren ja vorhanden sind – auch natürlich Gefahr läuft, Dengue-Ausbrüche zu bekommen. Und oft spielt eben gerade, was wir ungern sagen, der Reisende eine wichtige Rolle, denn der trägt es von A nach B, und das sehen wir immer wieder, dass der Reisende natürlich hier eine zentrale Rolle spielt bei der Einschleppung von Dengue.

00:08:45
Vereinzelt kommt es zu autochthonen Übertragungen in Europa nach Einschleppung des Virus durch virämische Reisende. In Spanien und Frankreich wurden 2018 erstmals Fälle von autochthonem Dengue diagnostiziert.

Reisende hatte ich gerade angesprochen. Ich möchte Ihnen kurz ein paar aktuelle Beispiele zeigen, dass der Reisende wirklich ein Problem macht. Hier haben wir nämlich, auch, nachdem Reisende die Infektion eingeschleppt haben, autochthone Fälle, wie beispielsweise hier in Frankreich und in Spanien. 2018 hat das ECDC hier drüber berichtet. Also, wenn Sie jetzt Patienten haben, die in diesen Ländern waren, müssen Sie theoretisch in der Differenzialdiagnose auch Dengue mit überlegen. Kann natürlich vorkommen. Und, wir sehen dann in Gegenden, wo die Vektoren vorhanden sind, durchaus auch autochthone Weiterverbreitungen, vorübergehende. Auch das ist möglich, und das muss man natürlich immer so ein bisschen im Fokus haben. Also überall da, wo der Vektor Aedes albopictus vorkommt, kann es zur Weiterübertragung von Dengue kommen, nachdem das Virus dort eingeschleppt worden ist. Anderes Beispiel hier: Italien 2020. Das war eine Reisende, die war in Indonesien gewesen, am 27. Juli wurde sie diagnostiziert mit Dengue, hat dann in dem Umfeld, in der Umgebung, weitere autochthone Fälle verursacht und das Ganze ging bis 29. September. Auch das ist ganz interessant, wenn man es dann recherchiert, wie denn so diese Fälle dann weitergehen, dass die ganze Gegend dann durchaus auch Dengue bekommen kann. Und man kann eigentlich sicher davon ausgehen, dass es nicht nur diese wenigen Fälle waren, die damals aufgetreten sind, weil das wäre schon sehr ungewöhnlich, dass dieselbe Mücke dann so mehrere sticht, das ist eher unwahrscheinlich. Man muss einfach davon ausgehen: In Gegenden, wo die Vektoren in Europa vorkommen, kann es auch eine Weiterverbreitung geben.

00:10:26

Und „last but not least“ hier ein Fall von zwei holländischen Touristen, die sich in Frankreich angesteckt haben. Auch das ist natürlich dann so die Spitze des Eisbergs. Man muss immer davon ausgehen, wenn man aus Gegenden des Mittelmeerraums kommt mit Fieber und man findet nichts, dann muss man an Dengue denken. Müssen wir in- zwischen. Globaler Wandel. Also denken Sie daran, Dengue in der Differenzialdiagnose durchaus auch ein bisschen zu berücksichtigen.

00:10:59
Deutschland verzeichnete im Jahr 2019 europaweit die meisten Reiserückkehrer mit Dengue.

Wo wird Dengue nachgewiesen? Wo wird es eingeschleppt? Und die meisten Einschleppungen haben die Deutschen. Wir haben 1.175 Fälle gemeldet im Jahr 2019. Das ist si- cherlich nicht alles, aber das sind die Fälle, die beim RKI gemeldet worden sind. An Platz zwei kommt dann Frankreich und dann Großbritannien, aber wir sind mit Abstand die bzw. das Land mit den meisten nachgewiesenen Dengue-Infektionen.

00:11:29
Dengue wird durch Aedes- Mücken übertragen.

Von den Vektoren hatte ich schon kurz gesprochen. Wir haben zwei Vektoren, die Dengue übertragen. Für uns wichtig ist Aedes albopictus und in den Tropen Aedes aegypti (Abb. 3). Aedes aegypti ist der Hauptvektor, der überträgt ja auch Gelbfieber unter anderem, und Aedes albopictus ist durchaus natürlich auch wichtig, weil er auch noch andere Arboviren übertragen kann, wie Chikungunya und Zika. Die beiden Vektoren unterscheiden sich etwas von ihrer Eigenart. Aedes aegypti ist mehr ein urbaner Vektor. Während Aedes albopictus sowohl städtisch als auch in ländlichen Gebieten vorkommen kann. Es sind hier diese Begriffe: Hinterhältiger Beißer und aggressiver Beißer genannt worden. Ja, ich weiß nicht, ich find‘ Mücken generell hinterhältig, gerade Mückenstiche auf dem Augenlid. Aber das ist halt so die Beschreibung des Vektors. Aedes albopictus ist deswegen wichtig, weil er etwas kühlere Temperaturen aushält als Aedes aegypti, und mit den steigenden Temperaturen in Europa ist natürlich Aedes albopictus auf dem Vormarsch. Man geht auch davon aus, dass man durchaus Aedes albopictus bis nach Norwegen langsam bekommen kann, was natürlich dann auch das Spektrum für Dengue erweitert, also durchaus wichtig. Und was vielleicht vergessen worden ist: Wir hatten in den 20er- Jahren des letzten Jahrhunderts Dengue-Ausbrüche in Griechenland, da war Dengue in Griechenland endemisch. Also, ist noch gar nicht so lange her, dass Dengue schon einmal da war. Insofern können wir mit Dengue rechnen, auch bei uns.

 

Abb. 3: Das Dengue-Virus wird von den Stechmücken der Gattung Aedes übertragen [12, 13].

00:13:02
Dengue wird auch bei uns endemisch werden.

Die Verbreitungsgebiete von Aedes albopictus in Deutschland, und diese Karten sind damals gemacht worden während Zika, als wir Angst hatten, dass wir Zika eingeschleppt bekommen und weiterübertragen bekommen. Und Sie sehen hier entlang des Rheins, vor allem die Freiburger Gegend, aber auch die Mannheimer Region, Karlsruhe, das sind so die Gegenden, wo man damals den Vektor schon fand – und unter anderem auch Jena. Und wenn wir uns die aktuelle Karte 2021 angucken, dann sind die Gebiete, massiv erweitert. Gerade die Mannheimer Region hat momentan ein richtiges Problem mit Aedes albopictus, und das muss man natürlich immer so ein bissel im Fokus haben, dass die Vektoren bei uns da sind, und wir brauchen bloß die Erkrankung. Dann haben wir plötzlich ein gutes autochthones Geschehen mit Weiterverbreitung, also das ist keine seltene Erkrankung mehr. Die wird auch bei uns endemisch werden. Davon können wir wahrscheinlich sicher ausgehen.

00:14:07

Warum wird sie endemisch? Weil wir alles dafür tun, was wir brauchen. Das ist jetzt etwa – das ist nicht mein Garten, aber das sieht so ähnlich aus. Ich habe auch überall Wasserkanister, weil wir kein Wasser mehr kriegen in Würzburg (Gelächter). Was machen wir? Wir sammeln Wasser. Und damit leisten wir genau der Mückenvermehrung Vorschub. Wir machen genau des, was wir nicht machen sollen. Was wir in Asien immer den Leuten erklären: „Macht das bitte nicht“, um Dengue zu verhindern, machen wir bei uns. Überall sind Wassercontainer inzwischen. Das ist genau unser Problem, wo wir die Mücken vermehren. Und wenn Sie selber an Ihren Garten denken, dann wissen Sie, was Sie mit dem Wasser machen. So fängt eigentlich richtige, konsequente Mückenbekämp- fung an. Wir wollen ja nicht sprühen. Also wichtig: Diese Wasserreservoire dienen für die Vermehrung von Vektoren und diese Wasserreservoire, gut Autoreifen haben wir bei uns eher weniger rumliegen, aber so Kübel, Eimer etc., sind so das, wo wir die Mücken vermehren können.

00:15:13
Nachfolgende Infektionen mit verschiedenen Serotypen sind mit einem höheren Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf verbunden.

Dann ein paar Worte zum Virus. Ist ja auch schon vieles gesagt worden. Das Dengue- Virus ist ein RNA-Virus. Es ist ein einzelsträngiges, hat ein einzelsträngiges RNA-Genom. Wir haben wichtige Proteine, das Capsid- und das Membran-Protein. Das Hüll-Protein ist wichtig für das Eindringen in die Zelle, und die Nichtstrukturproteine sind für die virale Replikation wichtig. So sieht das ganze Genom aus. Und wenn man Diagnostik betreibt oder Impfstoff entwickeln will, muss man sich natürlich sehr die Virologie angucken, weil da spielt die Musik für das Dengue-Virus. Wir haben vier Dengue-Serotypen (Dengue 1, 2, 3, 4) und jeder dieser Serotypen kann Dengue-Fieber verursachen oder die Erkrankung verursachen. Nach der Primärinfektion, die erfolgt, die Primärinfektion ist die Erstinfektion mit irgendeinem der vier Serotypen, kommt es dann zu einer erneuten Exposition mit einem anderen Serotyp, dann sprechen wir, dann kann es zum hämorrhagischen Dengue-Fieber kommen oder zum Dengue-Schocksyndrom.

00:16:21

Wir gehen aktuell davon aus, dass eine Infektion mit einem Serotypen eine lebenslange Immunität induziert, aber keinen Schutz vor einer heterologen Infektion macht. Das ist seit Jahren bekannt. Wichtig ist: Nach einer primären Infektion muss eine Zeit vergehen, bevor überhaupt das Risiko auftreten kann, bei einer Re-Exposition mit einem anderen Serotypen dann ein Dengue-Hämorrhagisches-Fieber zu kriegen. In der Regel ein, zwei Jahre müssen mindestens zwischen der Erstinfektion und der zweiten Infektion vergangen sein. Sollte die Infekt-, nein, die Re-Exposition früher erfolgen, passiert in der Regel nix. Da ist man noch durch die vorhandenen Antikörper gegen den einen Serotypen wei- testgehend geschützt. Die Virologie geht natürlich weiter. Bei den vier Serotypen bleibt es nicht. Die Serotypen werden dann auch differenziert in verschiedenste Genotypen, und da wissen wir ja inzwischen auch von anderen Erkrankungen, dass die Genotypen natürlich auch ganz spannend sind. Und hier gibt es eben unterschiedliche Genotypen innerhalb der Serotypen.

00:17:25

Diese Genotypen sind zum Teil virulenter, zum Teil weniger virulenter, zum Teil haben sie höhere Ausbreitungstendenz. Also, da gibt es durchaus Unterschiede heute, die man schon sehr gut charakterisieren kann, wenn man die Genotypen sich anguckt. Dies ist aber nicht die Routine-Diagnostik, die in den Laboren üblicherweise erfolgt. Das ist mehr so die molekulare Epidemiologie. Innerhalb dieser Genotypen gibt es durchaus auch lokale Veränderungen. Man kann sehr schön sehen, dass, wenn man Stämme charakterisiert, dann kann man Stämme der heimischen, des heimischen Virusstam- mes zuordnen und importierte Stämme damit differenzieren. Das wurde zum Beispiel hier in der Studie in Malaysia sehr schön differenziert. Man konnte hier sehen, dass die nachgewiesenen Stämme nicht alle der heimische Genotyp waren, sondern durchaus auch importierte Genotypen waren. Diese phylogenetischen Untersuchungen, die sind natürlich ganz spannend, wenn man dann so guckt, wo kommt denn was her, wo geht‘s hin? So kann man sehr schön differenzieren, wie sich Dengue weltweit bewegt und von wo nach wo welcher Stamm verschleppt wird.

00:18:42

Natürlich müssen wir immer gucken, auch zukünftig dann, ob wir alle Stämme durch Impfstoffe abdecken können. Das ist natürlich ganz entscheidend bei der Bekämpfung von Dengue. Was wir auch gesehen haben, dass es durchaus Unterschiede geben kann in der Wahrscheinlichkeit des Auftretens vom hämorrhagischen Dengue-Fieber, und davon abhängig, welcher Typ die Erstinfektion gemacht hat. Also, wenn man zum Beispiel, Dengue-Typ 1 gehabt hat und kriegt dann eine Dengue-Typ 2-Infektion, dann ist das Risiko für ein Dengue-Hämorrhagisches-Fieber höher als wenn man einen Typ 4 und dann gefolgt von Typ 3 bekommt. Sofern jemand weiß, welche Erstinfektion er hatte, kann er so ein bissel prognostizieren, wie wahrscheinlich es ist, dass er dann einen anderen Typ kriegt, ob er dann Dengue-Hämorrhagisches-Fieber bekommt. Was bedeutet das? Ich habe einen Reisenden, der hat eine Dengue-Typ 1-Infektion gehabt und will dann zwei oder drei Jahre später in ein Gebiet fahren, wo Dengue-Typ 2 ist. Dann würde man aufgrund dieser Daten sagen: „Nein, das ist vielleicht nicht so geschickt.“

00:19:54
Je länger die Zeit zwischen der Erstinfektion und der Sekundärinfektion ist, umso wahrscheinlicher kommt es zum hämorrhagischen Dengue-Fieber.

Macht man natürlich nicht in der Reise-Medizin, aber das wäre die Konsequenz dessen. Ganz wichtig ist auch der Zeitraum zwischen der Erstinfektion und der Sekundärinfektion. Wir wissen, wenn die Zeit kürzer als 2,6 Jahre ist, und zwar 1,9 Jahre bei Dengue-Hämorrhagischem-Fieber, dann ist die Wahrscheinlichkeit höher. Je länger die Zeit zwischen der Erstinfektion und der Sekundärinfektion ist, umso wahrscheinlicher kommt es zum hämorrhagischen Dengue-Fieber. Warum? Weil die Antikörper abnehmen und mit der Abnahme der Antikörper die Wahrscheinlichkeit für eine Re-Infektion sich erhöht. Also ganz entscheidend ist der Zeitraum zwischen der ersten Infektion und der zweiten Infektion. Je länger dieser Zeitraum ist, umso weniger Antikörper haben wir, umso mehr empfänglicher sind wir dann für einen schweren Verlauf. Also, das ist zumindest das, was man über die Äthiologie des hämorrhagischen Dengue-Fiebers weiß. Wenn man die Daten genau aufdröselt, sieht man eben, dass der Zeitfaktor eine ganz entscheidende Rolle spielt.

00:21:01

Sie alle haben dieses Prinzip der sogenannten „antibody dependent enhancement“, die antikörperverstärkte, die antikörperabhängige, verstärkte Immunreaktion. Dieses Enhancement kommt vor, wenn die Antikörper nach der Erstinfektion gebildet werden und es dann zu einer Re-Infektion kommt. Bei der Re-Infektion kann das Virus nicht neutralisiert werden, entweder, weil sie von einem anderen Serotypen sind oder weil sie schon so weit abgesunken sind. Sie passen nicht mehr genau. Und dieser Komplex, der sich dann bildet, der wird von den Monozyten aufgenommen und das führt zu einer verstärkten Infektion. Das ist dieses Prinzip des „antibody dependent enhancement“. Das kennen wir eigentlich nur bei Flaviviren und vor allem nur beim Dengue-Virus. Das ist ein einzigartiges Phänomen, das bei Dengue passiert.

00:22:08
Der Schweregrad von Dengue variiert je nach Serotyp und vorheriger Dengue-Infektion.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Dengue wird uns sicherlich gut beschäftigen in den nächsten Jahren. Es ist die häufigste Arbovirusinfektion der Menschheit mit weiter steigenden Fallzahlen. Wir sehen auch in Europa autochthone Einschleppungen durch virämische Reisende, und mit der wieder aufgreifenden Reisetätigkeit werden wir natürlich auch wieder mehr Dengue sehen. Die Dengue wird übertragen durch Aedes-Mücken, und der Schweregrad der Erkrankung hängt davon ab, ob ich eine Erstinfektion oder eine Sekundärinfektion bekomme. Und Dengue wird durch vier Serotypen verursacht.

Die Infektion mit dem einen Serotyp induziert eine homologe Immunität, aber keine heterologe Immunität. Das bedeutet: Werde ich erneut mit einem anderen Serotypen infiziert, besteht das Risiko für ein hämorrhagisches Dengue-Fieber. Damit wäre ich am Ende und übergebe.

00:23:06

Dr. Dr. Köhler:
Lieber Tino, herzlichen Dank für deine ausführliche, teilweise vielleicht auch komplexe, plastische Würdigung des Virus, und ich fühle schon richtig, wie das Dengue-Virus hier im Raum steht. Aber ich sage: Besser das Dengue-Virus, als das SARS-CoV-2-Virus. Das hoffe ich, dass das kein Gast bei uns ist. Vom Virus gehen wir jetzt zur klinischen Symptomatik bei Reiserückkehrern. Da braucht man natürlich einen ausgewiesenen Kliniker unter uns. Tomas Jelinek ist Facharzt für Innere Medizin, ganz wichtig, hat die Zusatzbezeichnung Tropenmedizin, Infektiologie und besitzt sogar auch das Diplom Mountain Medicine-Zertifikat.

00:23:45

Professor Jelinek:
Und Expeditionsmedizin.

00:23:45

Dr. Dr. Köhler:
Und Expeditionsmedizin auch noch. Mehr geht nicht. Aber was, was qualifiziert ihn auch noch, heute über ein Virus zu reden? Ich habe, wenn ich nicht falsch informiert bin, herausgefunden, dass Du über ein Virus promoviert wurdest, nämlich das Hepatitis-C- Virus. Von daher schon ganz früh in der Karriere mit Viren in Kontakt gekommen. Und jetzt freuen wir uns auf den Vortrag.

00:24:19

Professor Jelinek:

Dengue hat ein erhebliches Underreporting, weil viele der Fälle relativ leicht sind und nicht gemeldet werden – im Gegensatz zu Malaria

Das sind die Meldezahlen von Dengue und Malaria in den letzten Jahren, also seit 2000 in Deutschland, soweit man eben die RKI-Daten kriegt (Abb. 4). Und die grauen sind die Malariafälle, die roten sind die Denguefälle. Wir haben bei der Malaria eine Wellenbewegung gehabt durch die Migrationswelle 2014, 2015 sind die Fälle hochgegangen, dann ging es wieder herunter, aber insgesamt kann man sehen: Der Trend ist so eher absteigend gewesen. Und dann kamen diese beiden komischen Jahre, 2020, 2021 halt, und da sieht man natürlich einen Rückgang beider Krankheiten. Das ist jetzt nicht überraschend. Was aber auch interessant ist, finde ich, ist, dass 2021 Malaria plötzlich wieder so hochgeschossen ist. Zumindest in Berlin haben wir das sehr deutlich gesehen, da sind viele weggefahren, weil sie die Nase voll hatten von der Situation hier, sind nach Afrika gefahren, weil das ging halt. Afrika war offen 2021, und da haben sie sich Malaria geholt. Also, wenn man so die Baseline rechnet der wenigen Reisenden, die wir haben, war Malaria ziemlich häufig tatsächlich 2021, das nur am Rande. Dengue hat einen ganz anderen Verlauf, das geht steil nach oben. Das heißt, die beiden Krankheiten sind dabei, sich zu überkreuzen. Dengue wird wichtiger – auch von den Meldezahlen – als Malaria. Und dabei kann man sicher sagen, dass Dengue ein erhebliches Underreporting hat, weil viele der Fälle eben relativ leicht sind und einfach gar nicht wahrgenommen werden und auch gar nicht gemeldet werden – im Gegensatz zu Malaria.

 

Abb. 4: Dengue und Malaria in Deutschland: Gemeldete Fälle [14]

00:25:30

Schauen wir uns ganz kurz drei Patienten an. Wir sind ja irgendwie klinisch tätig alle. Das ist eine junge Dame, das ist ein paar Jahre her, die war in Ko Phangan im Golf von Thailand. Wacht morgens auf, es geht ihr richtig schlecht: Schmerzen, Kopfweh, auch Fieber, aber Schmerzen sind das Entscheidende. Fährt dann dort zu einer kleinen Health-Station, fühlt sich nicht so richtig gut betreut, fährt nach Hat Yai herüber, passt ihr alles nicht so, sie leidet halt sehr stark, und die haben halt Malaria ausgeschlossen – war es nicht. Haben ihr schon auch gesagt, was sie hatte, nämlich Dengue sehr wahrscheinlich, aber irgendwie fühlt sie sich nicht gut betreut. Also ist sie früher nach Hause geflogen, hat in der Holzklasse gelitten und kam so direkt vom Flughafen, ganz steif, ganz vorsichtig gehend, weil ihr alles weh tat. „Break Bone Fever“ eben, wie die Briten das nennen. Eigentlich schon im Ansehen, also auf dem Weg vom Warteraum zum Sprechzimmer, war klar, was sie wohl hat, und was sie eben auch ausgebildet hat, und deswegen zeige ich das Bild, dieses makulöse, in dem Fall rumpfbetonte Exanthem mit ‚nem schönen Dermographismus (Abb. 5). Ein wunderbares Signal, das die Patienten so am Tag 4 bis 5 nach Symptombeginn relativ häufig zeigen und selber gar nicht mitkriegen. Sie wusste nix davon, sie war nur sehr rot, wie nach einem Sonnenbrand, aber das ist reizlos, es juckt nicht et cetera, schuppt nachher so ein bisschen, aber erst mal ist es relativ reizlos.

 

Abb. 5: Rumpfbetontes Exanthem mit Dermographismus [Foto: T. Jelinek]

00:26:41

Hier auch bei diesem Patienten, der war in Kovalam, kam auch zurück, auch vorzeitig, weil er eben auch gelitten hat. Bei der jungen Frau ist das nach einer knappen Woche verschwunden, die Beschwerden. Wir haben die symptomatisch behandelt, die hatte keine Komplikationen, war alles schick. Er hat für drei Monate sich kaum morgens anziehen können. Der war total platt. Ein ausgeprägtes Erschöpfungssyndrom, also das, was wir jetzt bei Corona gerade irgendwie recht deutlich wahrnehmen, nämlich

ein Fatigue-Syndrom nach einer Virusinfektion, kennen wir bei Dengue schon seit den Neunzigern tatsächlich. Das ist gar nicht so selten. Es lohnt sich immer, das im Hinterkopf zu behalten. Wir wissen ja nicht, was wirklich passiert. Aber es ist ein Gutteil der Patienten, also Gutteil meint so etwa zehn Prozent, wenn man so ein bisschen stöbert in der Literatur, von der es nicht viel gibt, dann haben die auch dieses Fatigue-Syndrom, was zum Teil Jahre anhalten kann, ein bis zwei Jahre zumindest.

00:27:32

Und die Patientin ist die neueste, die haben wir letztes Jahr im Oktober gesehen. Die hatte die Nase gestrichen voll von Corona und Deutschland und ist auf die Seychellen gefahren, um sich zu erholen und hat nach einer Woche Dengue bekommen. Kam dann zurück, weil es ihr auch nicht besonders gut ging. Sie sehen das Exanthem, hier mehr extremitätenbetont. Die war wirklich sauer. Die hat uns irgendwie verantwortlich gemacht dafür, dass es ihr nicht gut ging. Sie war sehr unleidlich mit uns, muss ich sagen, wo wir echt nix dafür konnten. Und die hat uns erzählt, sie hatte blutigen Stuhl, was uns natürlich beunruhigt hat, weil das wäre natürlich schon hämorrhagisch, jetzt nicht so optimal, hat sich aber geweigert, in die Klinik zu gehen. Also das nicht auch noch, vor allen Dingen während Corona noch und so weiter. Wir haben sie dann ambulant geführt mit ein bisschen Bauchgrimmen, war nicht ganz glücklich über die Situation, aber es ging dann am Ende gut.

00:28:19
Die Inkubationszeit von Dengue beträgt drei bis zehn Tage.

Der Punkt ist: Dengue ist eine schnelle Krankheit. Kurze Inkubationszeit, so drei bis zehn Tage typischerweise, heißt: Ganz viele Patienten sehen wir gar nicht, weil die sich vor Ort infizieren und auch dort erkranken. Die kriegen wir überhaupt nicht mit. Da gibt es mit Sicherheit eine hohe Dunkelziffer bei den Reisenden. Wenn sie kommen, dann kommen sie typischerweise so am Tag 3 bis 6 nach Symptombeginn. Das ist die Zeit, wo sie auch in die Krise gehen können. Dann haben Sie eben potenziell die Chance, Komplikationen zu kriegen. Thrombozyten können abfallen, sie haben erhöhte Leberwerte typischerweise, und man muss hier eben im Management schauen, einmal A „Ist es Dengue?“, also „Wie mache ich die Blickdiagnose?“. Solche Patienten kommen ja gerne Freitagnachmittag um Fünf. Das ist die klassische Situation. Wir müssen die irgendwie übers Wochenende bringen, ohne dass jetzt irgendwas passiert. Also muss ich A feststellen, ist es das wirklich und B kann das in die Hose gehen? Also müssen die stationär oder nicht, muss ich die irgendwie regelmäßig sehen etc.? Das ist genau die heiße Phase, danach erholen die sich wieder und dann wird es wieder besser. Es ist eine kurze immunologische Krise. Herr Schwarz hat das ja schon angedeutet.

00:29:21
Eine Infektion mit Dengue geht nicht immer mit klinischen Symptomen einher.

Die WHO hat ihre Guidelines für Dengue, für das klinische Management über die Jahre immer wieder revidiert. Nicht immer zum Besseren, muss man sagen. Aber das hier ist so die Guideline, die eigentlich seitdem ganz gut steht und auch benutzt wird. Wir haben halt die Dengue-Virusinfektion, die sehr wohl asymptomatisch verlaufen kann, wir ha- ben einen relativ hohen Anteil asymptomatischer Verläufe, was grundsätzlich erst mal nicht schlecht ist, würde man sagen. Wenn ich es nicht mitbekomme und dagegen immun werde, ist ja ganz charmant, dann habe ich einen Virus-Typ schon einmal abgehakt, und es gibt halt die symptomatischen. Bei den symptomatischen gibt es das Dengue- Fieber, was auch bluten kann, unüblicherweise, aber durchaus bluten kann. Das war die Frau, die auf den Seychellen war. Die hatte kein hämorrhagisches Fieber, das war, soweit wir sagen können, ihre erste Infektion. Die hat trotzdem diese blutigen Stühle gehabt, die dann aber aufhörten. Und wir haben die symptomatischen Fälle, die in Komplikationen gehen, und das ist eben das gefürchtete Dengue-Hämorrhagische-Fieber, das ich ausschließen muss, jetzt in der Situation am Freitagnachmittag um Fünf, weil das eben bedeuten kann, dass sie kreislaufrelevante Blutungen bekommt, in den Schock geht. Die muss ich auffangen, die kann ich auch betreuen. Bei uns sterben die sehr selten, weil man die eben gut mit Intensivmedizin versorgen kann und dann passt das schon. Aber das ist eben in Entwicklungsländern, in denen die Infrastruktur mit Intensivstationen nicht so dick gesät ist, nicht so gegeben. Deswegen sterben vor allen Dingen Kinder in Dengue-endemischen Gebieten, weil die nicht ausreichend betreut werden während dieser immunologischen Krise. Es ist über die Jahre immer wieder versucht worden, Prädiktoren zu finden. Wie kann ich vorhersagen, ob die in eine Komplikation gehen oder nicht? Was sind Merkmale? Und das ist tatsächlich gar nicht so einfach. Hier hat man so ein paar Manifestationen, die die WHO aufführt, zum Beispiel eben hier unten die Thrombopenie, die aber eigentlich ziemlich regelmäßig da ist. Praktisch jeder symptomatische Patient hat auch erniedrigte Thrombos, muss man sagen, und das ist eben leider nicht so richtig prädiktiv, außer die rauschen jetzt unter 20.000, dann weiß man, dass hier natürlich ein Problem ist, aber ansonsten ist es schwer vorherzusagen, ob das in Richtung hämorrhagisches Fieber geht oder nicht.

00:31:23

Pathophysiologisch relevant in der Ausbildung dieses „immune enhancement“ ist, soweit man das mittlerweile sagen kann, das Nichtstrukturprotein 1. Wir haben das vorhin kurz auf der Übersicht bei Herrn Schwarz gesehen. Wir haben ja die Hüllproteine, die für die Immunologie wichtig sind, für die Immunantwort. Wir haben einige Nichtstruktur- proteine, die vom Virus ausgeschieden werden und andere Effekte im System machen. Und offensichtlich ist ´ne gute Immunantwort gegen NS1 wichtig, um eine Protektion zu haben, gegen eine Komplikation bei einer Zweit-, Dritt- oder Viertinfektion. Das heißt, wenn ich hier eine substanzielle und anhaltende Protektion aufbaue, dann ist es wahr- scheinlich so, dass ich kein DHF bekomme. Und das mag auch der Grund sein, warum DHF in der Zeitschiene später auftritt tendenziell, weil dann nämlich wahrscheinlich die NS1-Antikörper einfach stärker abgefallen sind und dann die Protektion gegen diese Kreuzimmunität eben nachlassen kann. Wer keine gute Protektion gegen NS1 aufbaut und nur gegen die Hülle des Virus, was ja die Norm, die primäre Antwort ist, der ist zwar gegen diesen einen Virustyp geschützt – und das wahrscheinlich für ein ganzes Leben –, aber nicht gegen die anderen drei. Dann gibt es eben Kreuzreaktionen, und das ist das, was Herr Schwarz schon gezeigt hat, eben die Zusammenlagerung dieser dann nicht sehr aviven Antikörper mit dem neuen Virus und damit eine erhöhte Aufnahme dieses Virus in die Abwehrzellen. Erhöhte Virämie, überschießende Abwehrreaktionen mit dann einer letztendlich von der disseminierten intravasalen Koagulopathie, mit eben Thrombopenie und „capillary leakage“. Eine immunologische Krise, die man überwinden muss. Ein sehr gutes Paper dazu. Es lohnt sich wirklich nachzulesen, wer es im Detail lesen will von Annelies Wilder-Smith von vor ein paar Jahren.

00:33:13

Asymptomatische Infektionen sind deswegen vielleicht doch gar nicht so charmant, ob- wohl man einen Typ durchgemacht hat, weil es natürlich bedeutet, dass ich gegen diese auch asymptomatische Infektion Antikörper gegen dieses eine Virus ausbilde und dann das Potenzial habe, mich dann beim nächsten Mal vielleicht doch in Komplikationen zu begeben. Wie oft die vorkommen, ist allerdings schwer zu sagen. Die Schätzungen reichen so von 1:0,2 bis 1:7. Prospektive Studien schauen bei Zero-Prävalenz, Antikör- per 8,7 % bis 19,5 %, also häufig auch asymptomatisch. Es sammeln sich schon einige Leute ein und offensichtlich ist damit das Potenzial von hämorrhagischem Fieber bei einer klinischen Erstmanifestation durchaus gegeben. Und das ist mein Problem in der Sprechstunde, dass auch wenn die Patienten sagen: „Ich hatte noch nie Dengue, kenne ich gar nicht“, ist es keine Garantie für eine Komplikation.

00:34:08
Leukopenie, Thrombozytopenie, Fieber sowie Muskel- schmerzen und Hautausschlag deuten auf Dengue-Fieber hin.

Erhöhte Leberwerte hat man ziemlich regelmäßig bei einem Patienten, meistens so in den Hunderten. Das sollte einen nicht groß aufregen. Die haben halt so ´ne Begleit-He- patitis. Die spielt aber keine wirkliche Rolle, macht auch keine wirklichen Komplikationen offenbar und ist vor allen Dingen auch kein Prädiktor für Komplikationen. Leukopenie, Thrombopenie, wie wir es kennen von Virusinfektionen, Hautausschlag – schönes Zeichen –, weil hilfreich in der Beurteilung. Häufig vorhanden: Fieber logischerweise und Muskelschmerzen. Das sind so die klassischen Beschwerden. Klinisch führend beim symptomatischen Dengue eher die Schmerzen als das Fieber, auch das aber eher graduell.

00:34:45
Das Durchschnittsalter von an Dengue-Erkrankten stieg in den letzten Jahren etwas an.

Hämorrhagisches Fieber kommt vor in Endemie-Gebieten, vor allen Dingen bei Kindern, logischerweise, weil die wachsen da auf, werden von klein auf infiziert. Deswegen ist die Population einfach gefährdeter. Danach haben sie es irgendwann alle durchgemacht und sind halt immun gegen alle vier Serotypen, aber hier steigt das Durchschnittsalter etwas in den letzten Jahren. Bei Reisenden Dengue-Hämorrhagisches-Fieber, so zwischen 0,9 bis drei Prozent, da in den Studien, also nicht furchtbar häufig, aber kommt schon vor.

Muss man einfach daran denken. Mortalität unbekannt. Wir haben Fallbeispiele, aber keine wirklich guten Zahlen, muss man sagen.

00:35:23
Mithilfe des Rumpel-Leede-Tests kann die Kapillarpermeabilität überprüft werden.

Ein guter Test, ein simpler Test, den man gut machen kann in der Sprechstunde ist der Stauschlauch-Test, Rumpel-Leede-Test. Das ist nicht der Arm der Patientin von den Seychellen, aber wir haben das bei ihr auch gemacht, und die hat furchtbar geschimpft dabei, weil sie natürlich, wenn sie vier bis fünf Minuten einen Stauschlauch an den Arm legen, wo die Muskulatur sakrisch wehtut, dann goutieren das die Patienten nicht besonders. Aber es ist ein wichtiger Test, weil wenn sie dann Petechien ausbildet, weiß ich, dass was mit ihrer Kapillarpermeabilität nicht stimmt. Das ist sehr sensitiv, ist nicht unbedingt spezifisch. Das kriegen Sie mit zwei Aspirin auch hin, aber es ist sehr sensitiv. Das bedeutet, dass ein Patient, der das hat, also klinischer Verdacht auf Dengue plus Stauschlauch-Test und das kostet mich gar nichts, außer ein bisschen Zeit diese Diagnostik, der geht stationär. Sie hatte das nicht. Ich hatte keinen Stauschlauch-Test, obwohl sie uns erzählt hat, sie hat blutige Stühle. Und sie hat sich sowieso geweigert, stationär zu gehen, davon ganz abgesehen, aber das hat uns eben ein bisschen entspannt, weil man dachte: „Erstens stimmt es wirklich mit den blutigen Stühlen. Zweitens, offenbar hat sie zumindest im Moment keine Permeabilitätsstörungen“ und so war es dann auch. Das ist dann gut verlaufen.

00:36:33

Dengue bei Reisenden mit Fieber kommt vor, sicherlich, auch da sind die Zahlen ein bisschen unterschiedlich, aber wir haben hier zwischen vier und 16 %, hier zwei Prozent, also sagen wir einmal zwei bis 16 Prozent der Fieberpatienten haben Dengue bei den Reiserückkehren. Das sind aber alles, wenn Sie schauen, Studien aus den späten 90er bis frühen 2000ern. Seitdem wird die Datenlage ein bisschen dünner tatsächlich, es ist nicht mehr so viel gemacht worden. Das hier sind Studien aus der Zeit, wo wir Dengue kennengelernt haben und man sich einfach mehr dafür interessiert hat. In den letzten Jahren ist das Interesse an klinischen oder Datensammlungs-Studien ein bisschen erloschen, weil man es irgendwie schon besser kennt in den Sprechstunden. Ich würde behaupten, dass erstens, die Zahlen steigen und zweitens, dass, was hier ganz viel steht Asien, dass das nicht mehr so relevant ist, dass es auch von anderen Gebieten / oder dass andere Gebiete relevanter werden, sagen wir es so. Aber dafür fehlen uns ein bisschen die Daten noch.

00:37:30

Frank Cobelens in Holland hat mal mit einer kleinen, aber ganz eleganten Studie geschaut, ob er Risikofaktoren definieren kann. Der hat Reisende vor der Reise rekrutiert und hat sie vorher und nachher serologisch getestet und geschaut: Wer hat Dengue bekommen? Asymptomatisch, symptomatisch? Hatte bei ein paar, 13 Leute, deswegen, ist immer schwierig, da große Fallzahlen zu kriegen, hatte auch ´ne Zero-Konversion und hat geschaut: Gibt‘s irgend‘nen Prädiktor? Kann ich irgendwie festmachen, was es wahrscheinlicher macht, dass die Leute Dengue kriegen? Alter, Geschlecht, Destinationen, frühere Reisen, Unterkunft, Saison, irgendwas? Rausgekommen ist nix, keine Prädiktoren. Die haben einfach die falsche Mücke getroffen. Pechvögel. Und nen Pechvogel können Sie schlecht durch Prädiktoren festmachen. Das ist halt einfach nicht zu sagen, muss man sagen. Wir haben eine ganz schöne Studie dieses Jahr, aus der Europäischen Gemeinschaft zu importiertem Dengue bis 2019, 2015 bis 2019. Das sind die aktuellsten Daten, die es gibt. Gute Übersicht (Abb. 6). Hier haben die auch die Infektionsraten an- hand der geschätzten Reisendenzahlen berechnet. Das ist ja eine Sache, immer nur zu zählen: Was kommt an Patienten? Aber dann fehlt mir ja der Nenner. Ich weiß ja nicht, wie viele Leute sind rausgefahren. Hier haben die auch geschaut, wie viele Leute fahren wohin so ungefähr und haben das gegengerechnet. Und die Länder, die hier, bräunlich, rötlich sind, das sind quasi die Dengue-Exporteure über unsere Reisenden, und je dunkler das Land, desto häufiger, desto größer ist die Rate, also die Wahrscheinlichkeit, dort Dengue zu kriegen. Und da sieht man, dass eben Asien natürlich wichtig ist. Das ist überhaupt keine Frage, aber eben nicht nur. Es ist eben auch die Karibik, auch Lateinamerika und nicht zuletzt auch Afrika. Das wirkt zunächst paradox, weil, wenn Sie sich an die Karte vorhin erinnern von Tino Schwarz, da war Afrika kaum vorhanden. Und das liegt eben daran, dass Dengue dort kaum wahrgenommen wird, weil es dort die Komplikation, Dengue-Hämorrhagisches-Fieber, praktisch nicht gibt. Das ist ´ne genetische Geschichte. Dort ist man vor diesem „immune enhancement“ weitestgehend geschützt aus genetischen Ursachen. Nur unsere Reisenden verändern ja ihr Genom nicht, wenn sie nach Afrika fahren. Die sind trotzdem so suszeptibel für A Dengue und B auch Dengue-Hämorrhagisches-Fieber. Wir haben im Moment oder in den letzten Jahren durchaus das Phänomen, dass zum Beispiel Sansibar-Reisende natürlich wieder an die Malaria denken, das ist ja noch mal wieder Risiko, aber es ihnen überhaupt nicht klar ist, dass sie dort eben auch Dengue, auch Chikungunya und so weiter kriegen können, also dass eben der Mückenschutz tagsüber mindestens so wichtig ist wie der Schutz gegen Malaria.

 

Abb. 6: Dengue bei europäischen Reisenden (n = 11.478) nach Reiseland 2015-2019 [15]

00:39:58

Hier aus derselben Studie von 2015 bis 2019 die Rate der Infizierten, also der Dengue- Patienten jeweils pro 100.000. Und da ist Asien natürlich oben, aber man sieht, dass die anderen eben sehr wohl ansteigen und teilweise – hier ist Ozeanien – durchaus in Bereiche kommen, wo sie Asien kratzen. Das ist ein Trend, der wird weitergehen, der wird weiter zunehmen. Wir werden mehr Dengue aus anderen Gebieten sehen, und das bedeutet eben auch, dass ich nicht sagen kann: „Du warst nicht in Asien, also hast du wahrscheinlich kein Dengue.“ Das ist überhaupt nicht mehr so.

00:40:33

Diagnose (Abb. 7) also klinisch, insbesondere am Freitagnachmittag. Reise-Anamnese ist ganz nett, aber irgendwie können die überall gewesen sein so ziemlich. Ich hatte mal eine Lehrerin, die hat sich das an der Cote d‘Azur geholt. Das ist dann kein typisches Gebiet, aber eines, wo man es eben auch kriegen kann. Symptomatik hilft sehr, klinisches Bild ist sehr schön, Leukopenie, Thrombopenie, Transaminasen-Anstieg, typischerweise kein LDH-Anstieg im Gegensatz zu Malaria, hämolysieren eben nicht. Virusanzucht können Sie vergessen. Die haben praktisch keine. Keiner von denen hat mehr eine Virämie am Tag 5 bis 6, 4 bis 5 bis 6. Wenn die kommen. Die ist schon vorbei. Die haben die Virämie, bevor die Symptome anfangen, und in den ersten ein, zwei Tagen vielleicht, dann nicht mehr. Dem braucht man nicht hinterherjagen. Was ein ganz nützlicher Test ist, ist der auf NS1- Antigen, weil das zirkuliert weiter. Es gibt einen Bedside-Test, der ist ziemlich cool, muss ich sagen, weil Sie können praktisch beim Patienten, Sie müssen zwar abseren, aber dann können Sie beim Patienten direkt einen NS1-Test machen. Der ist nicht perfekt sensitiv, der hat durchaus ´ne Falsch-Negativen-Rate, aber wenn er positiv ist, hat man einen sehr schönen Hinweis, dass das wohl tatsächlich Dengue ist. Und dann kann man die Serologie machen. Die sollte man immer machen, obwohl natürlich die Antikörper jetzt am Tag 4 bis 5 nach Symptombeginn sicher negativ sind aufgrund dieser Episode. Das ist ganz bestimmt so. Die haben noch keine laufende Immunantwort, die man messen könnte, aber ich will wissen, ob die schon einmal Dengue hatten und dafür brauche ich halt die Antikörper. Und auch dafür gibt es einen Bedside-Test. Ich kann jetzt, am Freitagnachmittag, kann ich mein Bild komplettieren. Mit Lücken natürlich, aber ich kann es weitgehend komplettieren. Wenn ich es genauer haben will, schicke ich das Blut auch ins Labor. Das braucht aber halt meistens länger. Das heißt, ich habe sofort einen Eindruck: Ist es Dengue? Was mache ich mit der Patientin? Und so weiter.

 

Abb. 7: Dengue-Fieber: Diagnose

 

00:42:18

Und dann gebe ich ihr ein Schmerzmittel. Viel machen können wir ja tatsächlich gar nicht. Wir geben denen Fiebersenker, Schmerzmittel, Metamizol wirkt gut. Was man logischerweise eher nicht tun sollte, ist, denen Thrombozyten-Aggregations-Hemmer geben (Abb. 8). Es verbietet sich aus naheliegenden Gründen, wobei die Brasilianer schon seit vielen Jahren gezielt mit Aspirin auch behandeln und sagen: „Es ist gar kein Problem“, aber ich würde mich das, ehrlich gesagt, nicht trauen. Ich würde das nicht machen. Mit Metamizol haben wir sehr gute Erfahrungen, was Dengue angeht. Auch hier ist in den letzten Jahren Ivermectin aufgekommen. Das war noch vor Corona. Iver- mectin gegen Viren, das ist so ein Thema. Was mich maßlos ärgert, weil wir im Moment ganz schlecht an Ivermectin rankommen, weil jede Menge Spinner das nehmen, um sich gegen Corona zu schützen, wo es sicher nicht wirkt. Bei Dengue war das schon ein paar Jahre vorher diskutiert worden, wirkt aber auch nicht. Es bringt nix. Also zumindest nicht im Menschen. Sie können im Labor so hochdosiert reinschütten, dann bringt‘s was, aber der Mensch ist keine Petrischale. Wir kriegen die Dosierung einfach intrazellulär nicht hin.

 

Abb. 8: Dengue-Fieber: Therapie

 

00:43:19
Übergewicht gilt als wichtiger Risikofaktor für Komplikationen bei Dengue.

Zwei Punkte noch zum Schluss: Risikofaktoren. Ein relevanter Risikofaktor. Auch das haben wir Corona zu verdanken. Tatsächlich schöne Arbeit 2022 veröffentlicht: Übergewicht. Übergewicht führt zu einer eher entzündlichen Stoffwechsellage oder Immunlage generell. Auf vielen Faktoren haben die eher entzündliche Reaktionen, das Inflammatorische wird betont auch an den Gefäßwänden. Das haben wir bei Corona sehr betont gesehen. Übergewicht ist ein ganz klarer Prädiktor für kompliziertes Covid-19 und ist es tatsächlich auch für Dengue, wenn Sie sich die Daten anschauen. Das geht tatsächlich besser, je mehr Europäer und Amerikaner Dengue kriegen, weil wir eben tendenziell eher übergewichtiger sind. Da kriegen sie halt entsprechend bessere Datenlagen hin.

Also Übergewicht spielt eine Rolle. Sollte man vielleicht eher drauf achten bei Patienten, die sich entsprechend präsentieren.

00:44:13

Zu guter Letzt noch mal das Fatigue-Syndrom, das, finde ich, ein bisschen hinunter fällt bei der Beurteilung. Man sollte die Patienten potenziell schon darüber aufklären, dass das ihnen eben blühen kann. Wir haben uns mal eigene Daten angeschaut von 2006 bis 2019, wir hatten jetzt 135 Patienten in der Zeit, die wir auch nachverfolgt haben, geschaut haben, wie ist es ihnen ergangen ist. Die Response war extrem gut, muss man sagen. Also, auch wenn die initial vielleicht sauer sind auf uns, antworten sie dann doch auf unsere Mails, und da hatten 9,6 % ein Erschöpfungs-Syndrom angegeben. Das ist jetzt keine sehr wasserdichte Studie, nur eine Frage an die Patienten. Zwischen zwei Monaten und bei einer Patientin zweieinhalb Jahre, die hat ihren Job verloren, ihr ganzes Leben quasi wurde über die zweieinhalb Jahre komplett umgestellt, weil sie nichts machen konnte, bis sie dann langsam wieder fit war. Aber bei allen wurde es wieder normal. Keiner hat das Problem behalten – immerhin. In der Literatur ist es relativ wenig publiziert. Also es gibt 76 Hits bei PubMed, was echt nicht viel ist. Inzidenz zwischen 7 und 53 % der Dengue Patienten. Das ist eine ganz schöne Arbeit aus Mexiko. Die haben mal so ´ne Zusammenfassung der Daten, die es gibt, geschrieben, also nicht nur mexikanische, sondern generell. Haben die aber eben auch den Verlauf angeschaut und eben auch gezeigt, das hier unten sind die Monate, dass es im Lauf der Zeit sich eigentlich bei allen zurückbildet, aber es ist ein Faktor, über den man aufklären sollte und wo man vielleicht auch ein bisschen mehr draufgucken sollte in Zukunft.

00:45:42
Ein effektiver Schutz ge- gen Dengue bleibt vorerst schwierig.

Also braucht man ´ne Lösung und einen Ausblick. Und den gibt es ja hoffentlich auch irgendwann. Wir brauchen einen guten Schutz. Bisher können wir nur Mückenschutz anbieten, was frustrierend ist. Es ist ein Risiko für praktisch alle Patienten. Wir haben kein Risikoverhalten, das wir festmachen können, muss also jeden Patienten, jeden Reisenden eigentlich darüber informieren. Und deswegen wäre es natürlich sehr sinnvoll, wenn wir einen Impfstoff kriegen. Der muss aber natürlich sicher sein, der muss effektiv sein, der darf nicht kompliziert sein für Reisende, also möglichst eine einfache Immunisierung, „one shot“ natürlich wünscht man sich immer, „single shot vaccine“. Er muss stabil sein, falls es ein Lebendimpfstoff ist, darf nicht rückmutieren. Der muss lange schützen und vor allem darf der keine „immune enhancement“ machen. Die Antikörper, die ich auf die Impfung produziere, dürfen nicht dazu führen, dass ich beim Kontakt mit dem Wild-Virus dann Komplikationen bekomme im Sinne von Dengue-Hämorrhagischem-Fieber. Optimalerweise kostet er auch nichts oder fast nichts. Das ist die beste Kombination in der Wunschliste. So, damit danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.

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