Zwischen Präzision, Verantwortung und Maschinenintelligenz steht ein Berufsbild vor dem Umbruch.
Was bleibt vom klassischen „Medical Writer“, wenn Künstliche Intelligenz medizinische Fachtexte in Sekundenschnelle formulieren, Tabellen auswerten, Abstracts schreiben, Leitlinien zusammenfassen und sogar Patienteninformationen generieren kann – und das in mehreren Sprachen gleichzeitig? Mit dieser Frage beschäftigen sich nicht nur die Medical Writer, sondern zunehmend auch unsere ärztlichen Leserinnen und Leser, die den Unterschied zwischen gut geschriebener und bloß gut formatierter Information längst spüren.
Medical Writing war jedoch schon immer mehr als nur Texterstellung. Wer gute Qualität liefern will, muss klinische Studien verstehen, regulatorische Anforderungen kennen, wissenschaftliche Sprache beherrschen und gleichzeitig die Ansprüche unterschiedlicher ärztlicher Zielgruppen im Blick behalten. Hier wird der Druck spürbar, denn KI-Modelle wie GPT-4 oder Med-PaLM-2 generieren auf den ersten Blick fachlich korrekte, sprachlich flüssige und logisch strukturierte Inhalte. Warum also noch teure menschliche Schreibarbeit bezahlen?
Ein Blick auf die professionellen Übersetzer könnte sich lohnen. Auch sie mussten erleben, wie spezialisierte Software und Dienste wie DeepL oder Google Translate ihr Geschäftsmodell innerhalb weniger Jahre umkrempelten. Was früher als hochqualifizierte Dienstleistung galt, ist heute für viele Auftraggeber ein „Maschinengang mit anschließender Korrekturschleife”. Und die Honorare spiegeln das wider. Doch auch hier zeigt sich: Die Nachfrage nach Qualität bleibt bestehen – dort, wo Nuancen zählen, rechtliche Sicherheit verlangt wird oder kulturelle Kontexte eine Rolle spielen.
KI ist weder allwissend noch verantwortungsbewusst. Sie halluziniert, wenn Daten fehlen, sie kennt keine Kontextnuancen und kann ethische Graubereiche nicht bewerten. Das gilt besonders für die medizinische Kommunikation, in der jede Formulierung Konsequenzen haben kann: rechtliche, ethische und klinische. Dies betrifft die Patientenaufklärung ebenso wie die ärztliche Fortbildung. KI kann jedoch auch entlasten, beispielsweise beim Strukturieren, Kürzen, Vereinheitlichen und Übersetzen. KI wird zum Mitarbeiter, der Routinearbeit übernimmt – aber auch ein Korrektiv braucht. Die Rolle des Medical Writers wird sich wandeln und die Anforderungen an Fachwissen und das Verständnis von Zusammenhängen werden weiter wachsen.
Ärzte werden zunehmend auf KI-generierte Inhalte treffen, beispielsweise in CME-Modulen, Kongressberichten, Blogs oder Studienzusammenfassungen. Vertrauen ist gut, kritische Lektüre ist besser. Wer ist der Autor? Gibt es eine Quelle? Wurde der Text redaktionell geprüft? Medical Writing wird nicht verschwinden. Aber es muss sich neu erfinden – als Schnittstelle zwischen Technologie und medizinischer Verantwortung. KI kennt die Worte – aber Verstehen ist mehr als Wiedergeben.
Text: Redaktion arztCME
Bild: ChatGPT, OpenAI, für arztCME