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MedicalLearning – Blog zur Zukunft der medizinischen Information

ePA mal anders: Digital Twin in der Medizin

23. Juni 2025

Vom 19.-21. Juni 2025 fand in Köln der Jahreskongress der GSAAM statt – der deutschen Gesellschaft für Prävention und Anti Aging-Medizin. Wie jedes Jahr gab es ein spannendes Programm und heute berichten wir von der Session „Digitalisierung und Künstliche Intelligenz“.

Während die elektronische Patientenakte (ePA) noch immer mit technischen Problemen und politischen Scharmützeln kämpft, ist man andernorts schon weiter. Tragbare Biosensoren und KI-gestützte Auswertungssysteme liefern eine neue Qualität medizinischer Information. In diesem Kontext tritt ein innovatives Konzept verstärkt in den Fokus: der Digitale Zwilling („Digital Twin“). Auch in diesem Blog hatten wir schon darüber berichtet (Link).

Was ursprünglich aus der Luft- und Raumfahrttechnik stammt, wird nun zunehmend auf die Medizin übertragen. Ein Digital Twin ist dort ein virtuelles Abbild eines realen Individuums, das auf kontinuierlich aktualisierten Daten basiert. Diese Daten stammen aus verschiedenen Quellen:

  • Elektronische Patientenakten (ePA, EHR)
  • Bildgebung (Radiologie, Pathologie)
  • Genomik, Proteomik, Metabolomik
  • Vitaldaten aus Wearables und Home Monitoring
  • Lifestyle- und Umweltinformationen (Ernährung, Bewegung, Schlaf, Exposition)

Dr. Guido Axmann ist ein Berliner Longevity-Mediziner und in der GSAAM so etwas wie der Digital-Guru. In seinem Vortrag über „Digital Twins in der angewandten Longevity-Medizin“ zeigte er anhand von praktischen Beispielen – eines Kunden mit CIO-Vergangenheit und seiner eigenen Akte – wie die Daten abgerufen und verknüpft werden können. „Da kann man sich sein eigenes kleines GPT bauen“ erklärte er, „da wird die gleiche Technik genutzt wie bei chatGPT. Da lässt sich das ganz gut zusammenstellen. Und weil die KI auch immer mal halluziniert, haben wir die Empfehlungen anfangs immer gegengecheckt“.

Die Qualität des Digital Twins hängt maßgeblich von der Tiefe, Granularität und Interoperabilität der eingespeisten Daten ab. Interoperabilität (FHIR, HL7, SNOMED CT) ist entscheidend, um Datenquellen über Institutionen hinweg zu verknüpfen. Diese Daten werden in Echtzeit aggregiert und fließen in ein mehrdimensionales Modell ein, das biologische Systeme simulieren kann – inklusive molekularer Interaktionen, Organdynamiken und sogar psychoneuroimmunologischer Muster.

Die Vision des Digitalen Zwillings in der Medizin ist kein ferner Zukunftstraum mehr. Erste Anwendungen – etwa in der Onkologie (Tumorboard-Entscheidungen), in der Herzchirurgie (valvuläre Modelle) oder in der Präventivmedizin (metabolische Profile) – zeigen bereits heute, wie datengetriebene Modelle in der Praxis ankommen.

Es wird spannend zu sehen, ob sich die ePA irgendwann in diese Richtung entwickeln kann oder ob ein Hobby der gut betuchten Longevitisten bleibt. Sinnvolle Anwendungen mit erheblichen Einsparpotenzial gäbe es auf jeden Fall genug – auch für Lieschen Müller.

Text: Reinhard Merz
Bild. chatGPT für arztCME

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