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Angriff aus der Vergangenheit: Wenn Online-Fortbildungen (fast) illegal sind

17. November 2025

Webinare und Online-Kurse sind ein elementarer Teil der medizinischen Fortbildung. Doch die Digitalisierung bekommt gerade einen massiven Dämpfer von einem Gesetz aus dem Jahr 1976, dem Fernunterrichtsgesetz (FernUSG). Eine leider wahre Geschichte aus Absurdistan.

 

In der Fort- und Weiterbildungslandschaft – auch in der Medizin – herrscht aktuell eine gewisse Unruhe. Denn eine „Aufräumaktion“ gegen unseriöse Online-Coaches hat ein Eigenleben entwickelt. Der Bundesgerichtshof (BGH) sollte über die Rechtmäßigkeit eines „Business-Mentoring-Programm“ für 47.600 Euro und eines „E-Commerce Master Club“ für 7.100 Euro urteilen.

Er tat das in den Urteilen BGH III ZR 109/24 und III ZR 173/24 mehr als gründlich, wie heise online aktuell kommentiert (Link). Er hat nämlich brachial klargestellt, dass Verträge für solche Online-Angebote von Anfang an nichtig sind. Der Grund: Die Anbieter hatten nicht die nötige staatliche Zulassung der zuständigen Behörde, der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) in Köln. Dieser Paukenschlag gefährdet nicht nur dubiose Anbieter, sondern auch die Existenz seriöser Seminaranbieter.

 

Medizinische Kurse betroffen

Das FernUSG stammt aus einer Zeit, als Lehrunterlagen noch per Post verschickt wurden. Die Richter in Karlsruhe legen dieses völlig veraltete Gesetz allerdings so weit aus, dass nahezu jedes moderne E-Learning-Angebot unter die Zulassungspflicht fällt. Drei Merkmale lösen die Pflicht aus: Bezahlung, überwiegend räumliche Trennung und die Überwachung des Lernerfolgs. Besonders zwei Punkte sind für medizinische Online-Fortbildungen eine tückische Falle:

Das Aufzeichnungs-Dilemma: Ein Live-Seminar via Zoom oder Teams gilt als zulassungsfrei („präsenzäquivalent“). Sobald diese Live-Webinare aber aufgezeichnet und den Teilnehmern zum zeitversetzten Abruf bereitgestellt werden, wird die Einordnung eine andere. Der BGH meint, die Aufzeichnung mache die synchrone Teilnahme „entbehrlich“, was den Fernunterrichts-Charakter begründet.

Noch adsurder ist die Fragefalle: Während man früher noch Tests verschicken musste, reicht es laut BGH heute bereits aus, wenn dem Teilnehmer „die bloße Möglichkeit eröffnet wird, inhaltliche Fragen zu stellen“. Stellt ein Arzt oder eine MFA eine Frage im Chat oder im Live-Q&A, kann der Dozent laut dieser Logik Rückschlüsse auf den Lernstand ziehen – und das gilt als Lernerfolgskontrolle.

Da die meisten hochwertigen medizinischen Fortbildungen Aufzeichnungen (für Wiederholung) und Interaktion (für besseres Lernen) anbieten, könnten viele Angebote, die keine ZFU-Zulassung haben, nun betroffen sein. Mit teilweise verheerenden Folgen, weil Anbieter jeden Anspruch auf die vereinbarte Vergütung verlieren können. Teilnehmer könnten sogar bereits gezahlten Gebühren vollständig zurückfordern. Diese Rechtsprechung lädt unzufriedene oder gar arglistige Kunden regelrecht ein, die Zahlung für eine vollständig und seriös erbrachte Leistung zu verweigern.

 

Fazit

Das FernUSG, noch mit der Schreibmaschine geschrieben, soll jetzt die Online-Fortbildungen regeln? Was wie ein schlechter Witz klingt, könnte leider für viele Anbieter unangenehme Folgen haben. Der Gesetzgeber ist gefordert, hier zeitnah die legislative Notbremse zu ziehen.

 

Text: Reinhard Merz
Bild: chatGPT für arztCME

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