Ein aktueller McKinsey-Report beleuchtet eine mögliche zukünftige KI-Infrastruktur im Gesundheitswesen – weg von Einzellösungen, hin zu einer modularen KI-Architektur. Kann diese Vision auch eine realistische Perspektive für das deutsche Gesundheitswesen werden?
Die aktuelle KI-Dynamik im Gesundheitswesen ist geprägt von einer rasanten Zunahme spezialisierter Punktlösungen – etwa für klinische Dokumentation, Entscheidungsunterstützung oder Abrechnungsprozesse. Doch wie kommen Daten schnell, zuverlässig und Datenschutz-kompatibel von A nach B? Das bleibt eine offene Frage.
Der McKinsey-Report (Link) prognostiziert eine strukturelle Weiterentwicklung hin zu modularen, vernetzten KI-Architekturen, die diese isolierten Anwendungen über agentische Systeme und standardisierte Schnittstellen orchestrieren sollen. Ergänzt wird dieses Modell durch sogenannte „clinical-data foundries“, also hochkuratierte Dateninfrastrukturen zur sekundären Datennutzung für Forschung, Produktentwicklung und Versorgungsoptimierung.
Aus gesundheitswissenschaftlicher Perspektive erscheint dieses Modell schlüssig: Die Integration fragmentierter KI-Tools in ein kohärentes System könnte Effizienz, Versorgungsqualität und Entscheidungspräzision erhöhen. Es ist aber eher eine Blaupause für das US-amerikanische Gesundheitssystem als für unseres – mit seinen föderalen Zuständigkeiten, heterogenen IT-Landschaften und Datenschutzregelungen (DSGVO, SGB V).
Ein weiterer kritischer Punkt liegt in der möglichen Abhängigkeit von Hyperscalern und proprietären Plattformen. Das könnte die ohnehin fragile digitale Souveränität europäischer Gesundheitsinstitutionen weiter schwächen. Für Deutschland erscheint daher ein hybrider Weg sinnvoll: schrittweise Integration KI-gestützter Module unter strenger regulatorischer Kontrolle, flankiert durch nationale Interoperabilitätsstandards und öffentliche Dateninfrastrukturen.
Fazit: Die Vision einer modularen KI-Architektur im Gesundheitswesen ist medizinisch und technologisch vielversprechend. Ihre nachhaltige Implementierung in Deutschland erfordert jedoch ein differenziertes, kontextsensibles Vorgehen, das Versorgungssicherheit, Datenschutz und klinische Relevanz gleichermaßen priorisiert. Die gesellschaftliche Akzeptanz datengetriebener Geschäftsmodelle im klinischen Kontext ist in Deutschland begrenzt.
Text: Reinhard Merz
Bild: chatGPT für arztCME
