Sprunggelenk: Anatomie und Diagnostik von Verletzungen
Interessengebiete: Allgemeinmedizin und Innere Medizin, Chirurgie, Orthopädie, Rheumatologie
Das Sprunggelenk ist einer Vielzahl von Belastungen ausgesetzt. Nicht nur Bewegungen im Alltag, sondern vor allem auch sportliche Aktivitäten belasten es stark. Nicht selten kommt es dabei zu akuten Verletzungen von Knochen, Knorpel, Bänder, Muskeln oder Sehnen. Neben den akuten Verletzungen sind es aber auch chronische Erkrankungen, wie zum Beispiel die Arthrose, die die Funktion des Sprunggelenks beeinträchtigen können. Ferner sind ein Knorpelschaden im oberen Sprunggelenk, die Osteochondrosis dissecans sowie das Tibialis-posterior-Syndrom relevante Erkrankungen des Sprunggelenks.
Kursinhalt
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Das Sprunggelenk verteilt bei der aufrechten Haltung des Menschen die gesamte, vom Körper ausgehende Last über das Sprungbein auf den Fuß [1]. Um den dabei einwirkenden Kräften standhalten zu können, ist eine hohe Stabilität notwendig, die das Sprunggelenk durch die Einbindung in einen kräftigen Band- und Muskelapparat erlangt [2].
Das Sprunggelenk wird nicht nur durch alltägliche Bewegungen, wie beispielsweise Gehen oder Treppensteigen, sondern vor allem durch sportliche Aktivitäten stark belastet [3]. So üben über 80 % aller Deutschen zwischen 18 und 69 Jahren täglich mindestens 30 Minuten eine mittelschwere (z. B. Putzen oder Radfahren) bis anstrengende (z. B. Tragen schwerer Lasten oder Leistungssport) Aktivität aus [4], die zu akuten Sprunggelenksverletzungen führen können (siehe Modul 2).
Neben den akuten Sprunggelenksbeschwerden gibt es auch eine Reihe von chronischen Erkrankungen, beispielsweise die Arthrose, bei denen das Sprunggelenk betroffen sein kann. Darüber hinaus zählen Knorpelschaden im oberen Sprunggelenk, Osteochondrosis dissecans sowie das Tibialis-posterior-Syndrom zu relevanten Erkrankungen des Sprunggelenks.
Das erste Modul befasst sich mit dem anatomischen Bau und der Biomechanik des Sprunggelenks sowie dessen Untersuchungs- und Diagnosemöglichkeiten.
Anatomie des Sprunggelenks
Das Sprunggelenk ist das funktionell bedeutsamste Gelenk des Fußes und wird in zwei Hauptgelenke unterteilt (siehe Abb. 1): das obere Sprunggelenk (Articulatio talocruralis) und das untere Sprunggelenk, wobei letzteres ebenfalls aus zwei Gelenken besteht – dem vorderen unteren Sprunggelenk (Articulatio talocalcaneonavicularis oder Articulatio talonavicularis) sowie dem hinteren unteren Sprunggelenk (Articulatio subtalaris). Beide Teilbereiche des unteren Sprunggelenks wirken gemeinsam als ein Gelenk [3, 1, 5].
Ossäre Struktur
Das obere Sprunggelenk (siehe Abb. 2) besteht aus Tibia (Schienbein) und Fibula (Wadenbein) sowie dem Talus (Sprungbein) [6, 2]. Die Gelenkfläche des Malleolus lateralis reicht dabei etwas tiefer als die des Malleolus medialis. In die klammerartige Struktur der Malleolengabel (Sprunggelenksgabel) eingebettet ist die Trochlea tali (Sprungbeinrolle) des Talus. Die Sprunggelenksgabel dient der Sprungbeinrolle hierbei als Gelenkpfanne [1]. Gemeinsam bilden die beiden Komponenten ein Scharniergelenk (Ginglymus) aus, so dass die primären Bewegungen des oberen Sprunggelenks die Plantarflexion und Dorsalextension sind.
In Abhängigkeit von der jeweiligen Fußstellung weist das obere Sprunggelenk unterschiedliche Stabilitäten auf. Diese sind durch den Größenunterschied der Trochlea tali bedingt, deren Gelenkfläche vorne deutlich breiter ist als hinten. Besonders groß ist die knöcherne Sicherung, wenn der breitere, vordere Teil der Trochlea tali in Dorsalextension in Kontakt mit der Malleolengabel steht (siehe Kapitel 3) [6, 2].
Die beiden Komponenten des unteren Sprunggelenks bilden gemeinsam ein atypisches Drehgelenk aus, das an den Kombinationsbewegungen Inversion und Eversion sowie der Pronation und Supination des Fußes beteiligt ist (siehe Kapitel 3) [3, 6]. Das hintere untere Sprunggelenk besteht aus zwei knöchernen Gelenkkörpern: dem Calcaneus (Fersenbein) und dem Talus. Das vordere untere Sprunggelenk umfasst neben dem Sprungbein (Talus) die vordere Gelenkfläche des Calcaneus sowie das Os naviculare (Kahnbein). Abbildung 3 zeigt die ossären Bestandteile des vorderen und hinteren unteren Sprunggelenks [3, 1].
Bandapparat des Sprunggelenks
Der Bandapparat des oberen Sprunggelenks lässt sich in drei Hauptgruppen unterteilen (siehe Tab. 1). Gemeinsam nehmen diese als laterale und mediale Bänder sowie als Syndesmosebänder zusammengefassten Bandapparate eine wichtige Rolle in der Stabilisierung und Führung des oberen Sprunggelenks ein. So sind bei jeder Bewegung und in jeder denkbaren Gelenkposition einzelne Bestandteile des Apparates angespannt [2].
Die drei am lateralen Bandapparat beteiligten Bänder stabilisieren die Position der Fibula im Sprunggelenk (siehe Abb. 4).
Der mediale Bandapparat zeichnet sich insbesondere durch seine kräftigen, in dreieckiger Form verlaufenden Bänder aus (Abb. 5). Alle vier Bänder setzen am Malleolus medialis an und verbinden diesen mit den anderen knöchernen Komponenten des Sprunggelenks [6, 2].
Als Syndesmosebänder der Malleolengabel (Abb. 4) werden die Bänder Lig. tibiofibulare anterius und Lig. tibiofibulare posterius verstanden. Sie bilden eine feste Verbindung zwischen den distalen Enden der Tibia und Fibula und sind für die Stabilisierung der Malleolengabel essenziell. Unterstützt werden die beiden Bänder durch den Unterrand der Membrana interossea cruris, die nicht nur im distalen Bereich, sondern im gesamten Unterschenkel eine feste Bindung zwischen den beiden Knochen herstellt [6].
Der Bandapparat des unteren Sprunggelenks (Tab. 2) umfasst die kurzen und kräftigen Verbindungen zwischen Talus und Calcaneus, die bereits bei alltäglichen Bewegungen, wie z. B. Gehen oder Laufen, großen Belastungen ausgesetzt sind. Insbesondere das Lig. talocalcaneum interosseum nimmt eine zentrale Stellung ein, da es als direkte Verlängerung der Unterschenkelachse starken Zugspannungen standhalten muss [6, 5].

Abb. 4: Lateraler Bandapparat („Außenbänder“) und Syndesmosebänder der Malleolengabel des oberen Sprunggelenks von (A) lateral und (B) dorsal
Muskeln, Sehnen und Nerven des Sprunggelenks
Neben den stabilisierenden Wirkungen des Bandapparates sind auch die im Sprunggelenk verlaufenden Muskeln und Sehnen an dessen Stabilität beteiligt. Abbildung 6 zeigt, dass viele der großen Muskeln im Bereich des oberen und unteren Sprunggelenks ansetzen. Am Talus selbst ziehen die Sehnenansätze der Unterschenkelmuskulatur vorbei, so dass dieser frei von Muskelansatzpunkten ist [2, 5].
Der Hauptbeuger im oberen Sprunggelenk ist der M. triceps surae neben fünf weiteren Beugern. Die beiden Mm. peronaei bilden Abduktoren und Pronatoren; Mm. tibialis posterior, flexor digitorum longus und flexor hallucis longus Adduktoren und Supinatoren. Die fehlende Funktion des M. tibialis posterior wird mit einem pes planovalgus in Zusammenhang gebracht. Wichtig ist daneben die Wirkung des M. peronaeus longus auf die Fußwölbung.
Die Innervation der Muskulatur erfolgt über verschiedene Nerven innerhalb des oberen und unteren Sprunggelenks, die jeweils unterschiedlichen Nervensegmenten zugeordnet sind. So wird beispielsweise der für die Dorsalflexion mitverantwortliche M. tibialis anterior des oberen Sprunggelenks durch den N. peronaeus profundus innerviert. Für diesen sind wiederum die Nervensegmente L4-L5 verantwortlich. Da die meisten Skelettmuskeln von zwei bis drei Rückenmarkssegmenten versorgt werden, führt der Ausfall eines einzelnen Segments nicht zu einer vollständigen Lähmung des Muskels, sondern schwächt diesen nur.
Tabelle 3 gibt einen Überblick über die einzelnen Muskeln des oberen und unteren Sprunggelenks sowie über die Nerven, die diese innervieren. Darüber hinaus sind die für die Nerven zuständigen Rückenmarkssegmente sowie die Bewegungsfunktion der Muskeln mit aufgeführt [3, 2].

Tab. 3: Übersicht über die Muskeln des Sprunggelenks, ihre Funktion und Innervation [modifiziert nach 3]
Biomechanik des Sprunggelenks
Bewegungen des Sprunggelenks
Das Sprunggelenk des Menschen weist einen großen Bewegungsspielraum auf, der sich aus dem Zusammenwirken der beiden Teilgelenke ergibt. Sowohl das obere als auch das untere Sprunggelenk besitzen dabei eine eigene Bewegungsachse, die sich von der des jeweils anderen Gelenks unterscheidet.
Die Bewegungsachse des oberen Sprunggelenks verläuft nahezu transversal durch die Spitzen der Malleolen (siehe Abbildung 7A) und ist verantwortlich für Plantarflexion und Dorsalextension. Die Plantarflexion hat mit etwa 40-50° ein größeres Bewegungsausmaß als die Dorsalextension mit 20-30° [3, 2, 5]. Durch diese Bewegungen entlang der Gelenkachse verändert sich auch die Lage der Syndesmosebänder und der Unterschenkelknochen. Die Ursache für die Mitbewegung liegt vor allem in der ungleichmäßigen Form der Trochlea tali, deren Durchmesser vorne um insgesamt 5 mm breiter ist als hinten. Damit die Malleolengabel trotz dieser Größendifferenz in ständigem Kontakt mit der Sprungbeinrolle stehen kann, muss sie zu einem gewissen Grad verstellbar sein. So entfernt sich bei Dorsalextension der Malleolus lateralis von der Tibia. Die Ligg. tibiofibulare und die Membrana interossea nähern sich dabei einer horizontalen Ebene an, und die Fibula rotiert nach innen. Somit ist die Malleolengabel bei Dorsalextension „weit“ gestellt. Umgekehrt befindet sie sich in einer „engen“ Stellung, wenn sich die Fußspitze senkt, da sich der Malleolus lateralis dem Malleolus medialis annähert. Gleichzeitig bewegt sich die Fibula mit leichter Außenrotation nach dorsal [5].
Im unteren Sprunggelenk verläuft die Bewegungsachse in Neutral-Null-Stellung vom lateralen Calcaneus (außen- hinten-unten) über den medialen Bereich des Canalis tarsi zur Mitte des Os naviculare (siehe Abbildung 7A, B). In der Theorie weist das untere Sprunggelenk jedoch zwei Bewegungsachsen auf: eine vertikale und eine longitudinale. Entlang der vertikalen Achse bewegt sich der Fuß in der Horizontalebene, indem die Fußspitze nach lateral (Abduktion) oder nach medial (Adduktion) geführt wird. Bewegt sich der Fuß in der longitudinalen Achse, so verändert sich die Stellung der Fußsohle. Ist diese medial ausgerichtet, handelt es sich um eine Supination, bei lateraler Ausrichtung um eine Pronation. Der Bewegungsumfang beträgt für die Supination 40° und für die Pronation 20°.
Obwohl diese Bewegungen theoretisch einzeln möglich sind, treten sie in der Realität stets in Kombination auf. So umfasst die Inversion die einzelnen Teilbewegungen Supination, Adduktion und Plantarflexion (siehe Abbildung 8A). Treten Pronation, Abduktion und Dorsalextension gleichzeitig auf, handelt es sich um eine Eversion (siehe Abbildung 8B). Der Bewegungsumfang des unteren Sprunggelenks liegt für die Inversion bei 20° und für die Eversion bei 10° [2, 5].
Stabilität des Sprunggelenks
Durch das komplexe Zusammenspiel der verschiedenen Gelenkkomponenten erreicht das Sprunggelenk ein hohes Maß an Stabilität. Ein weiterer wichtiger Faktor zur Stabilisierung des Gelenks unter Belastung ist die Propriozeption, das heißt die Fähigkeit den Zustand und die Veränderung von Gelenkstellungen mit Hilfe spezieller Sensoren wahrzunehmen. Sie wird bei Verletzungen zusätzlich beeinträchtigt und infolgedessen die protektive Muskelkontraktion abgeschwächt und verlangsamt. Dies hat wiederum negative Auswirkungen auf die Stabilität des Gelenks und somit auch auf das erneute Verletzungsrisiko.
Damit die Gelenkstabilität in den verschiedenen Funktionsstellungen des Gelenks aufrechterhalten werden kann, bedarf es sowohl aktiver (z. B. Muskeln) als auch passiver (z. B. Bänder) Stabilisatoren, die das Sprunggelenk nicht nur in seinen Bewegungen stabilisieren, sondern auch dessen Bewegungsausmaß eingrenzen. So wird beispielsweise die Dorsalextension durch die Muskulatur, die Knochen und den Kapselbandappart eingeschränkt. Die erste Hemmung geht vom M. triceps surae aus, dessen Kontraktion den Bewegungsradius der Dorsalextension reduziert. Darüber hinaus kommt es zu einer Knochenhemmung, wenn der Hals der Trochlea tali an die Vorderkante des distalen Tibiaendes stößt. Gleichzeitig spannen sich die hintere Kapselwand und das Lig. talofibulare posterius an. Wird die Beweglichkeit jedoch überschritten, kann es zu einer Luxatio posterior kommen, die mit einer partiellen oder vollständigen Ruptur des Kapsel- bandapparates einhergeht oder zum Abbruch der hinteren Tibiakante führt. Ähnlich verhält es sich bei Plantarflexion: Die Extensoren reduzieren den Bewegungsradius. Gleichzeitig tritt eine Knochenhemmung ein, wenn das laterale Tubercula des Processus posterior tali an die Hinterkante des distalen Tibiaendes stößt. Dabei sind die vordere Kapselwand sowie das Lig. talofibulare anterius angespannt.GehtdieBewegungüber den normalen Radius hinaus, kommt es zu einer Luxatio anterior oder zum Abbruch der Tibiavorderkante [5].
Neben den Verletzungen in Sagittalebene, die durch übermäßige Dorsalextension und Plantarflexion entstehen, können auch in der Transversalen Frakturen und Rupturen auftreten. So z. B. bei einer abrupten, lateral verankerten Abduktion. Mögliche Folgen einer solchen Bewegung, bei der sich die äußere Talusgelenkfläche gegen die Fibula stemmt, sind:
• Ruptur der tibiofibularen Bänder durch Sprengung der Malleolengabel, wodurch der Talus nicht mehr sicher geführt werden kann. Eine begleitende Verletzung des Lig. deltoideum begünstigt die Drehung des Talus um seine Längsachse. Dreht sich der Talus um seine vertikale Achse, kann die hintere Tibiakante abbrechen.
• Ruptur des medialen Bandapparates als Folge einer starken Distorsion.
• Halten die Ligg. tibiofibulare den Spannungen stand, frakturieren die Malleolen. Es ist möglich, dass anstelle einer Fraktur Malleolus medialis das Lig. deltoideum rupturiert. Oft bricht dabei auch die Tibiahinterkante ab.
Frakturen innerhalb der Malleolengabel können auch Folge einer abrupten Adduktion sein. So stemmt sich bei Drehung des Talus um seine vertikale Achse die laterale Talusgelenkfläche gegen den Malleolus lateralis, der bei Verkantung unterhalb der Ligg. tibiofibulare frakturieren kann [5].
Untersuchung des Sprunggelenks
Klinische Untersuchungen
Die klinische Untersuchung spielt in der Diagnostik von Sprunggelenksverletzungen unverändert die zentrale Rolle. Neben einer umfangreichen Anamnese, die insbesondere Fragen zum Unfallhergang und zur Schmerzentwicklung (Beginn, Verlauf, Lokalisation, Charakter, Intensität und Ausstrahlung) klären soll, sind auch die Inspektion und Palpation der verletzten Knöchelregion Bestandteil der Untersuchung.
Die Inspektion beginnt dabei meist mit der Begutachtung des Gangbildes, das z. B. durch ein Entlastungshinken oder ein vermindertes Abrollen auf eine Bewegungseinschränkung hinweist. Darüber hinaus wird die Region der Verletzung auf beispielsweise Hautveränderungen, Schwellungen, Hämatome oder ähnliches untersucht. Die Palpation vervollständigt die Untersuchung, z. B. auf Druckschmerzen oder eine Überwärmung [7].
Daneben gibt es eine Reihe von speziellen Testverfahren. So eignet sich beispielsweise der Talar Tilt Test 1 zur Beurteilung von Verletzungen des lateralen Bandapparates. Ist dabei eine sowohl sicht- als auch tastbare Aufklappbarkeit des Sprunggelenks zu beobachten, deutet dies auf eine Ruptur des Lig. calcaneofibulare und des Lig. talofibulare anterius hin. Tabelle 4 gibt einen Überblick über die wichtigsten Testverfahren sowie deren Durchführung zur Differenzialdiagnostik von Sprunggelenksbeschwerden [8].
Bildgebende Verfahren
Neben der klinischen Untersuchung gibt es verschiedene bildgebende Verfahren, mit deren Hilfe ossäre, ligamentäre und Weichteilverletzungen nachgewiesen oder ausgeschlossen werden können [9]. Das Röntgenbild ist aufgrund seiner hohen Detailgenauigkeit und seines hohen Qualitätsstandards auch heute noch eine unverzichtbare Methode in der orthopädischen Diagnostik, vor allem in den etablierten Standardprojektionen (z. B. posterior-anteriore Aufnahme, seitliche Aufnahme). Die sogenannten „gehaltenen Aufnahmen“ zur Diagnostik von Bandläsionen unter Pro- oder Supinationsstress verlieren zunehmend an Bedeutung zugunsten einer subtileren klini- schen Untersuchung. Auch wenn Bandrupturen auf diese Art festgestellt werden können, liefern Röntgenaufnahmen nur eingeschränkte Informationen über Weichteile, da lediglich die ossären Gelenkbestandteile abgebildet werden. Sonographische Verfahren geben Aufschluss über Weichteilverletzungen wie Sehnenentzündungen. Auch mit Hilfe von Schnittbildverfahren wie z. B. der Computertomographie (CT) und insbesondere der Magnetresonanztomographie (MRT) lassen sich weiterführende Informationen gewinnen. Die Vor- und Nachteile sowie die Besonderheiten der einzelnen bildgebenden Untersuchungsverfahren sind in Tabelle 5 zusammengefasst [7, 10, 9].
Diagnostik von Knorpelschäden im oberen Sprunggelenk
Knorpelschäden des oberen Sprunggelenks stellen in der klinischen Praxis eine diagnostische Herausforderung dar, da initiale Symptome häufig unspezifisch sind. Die Diagnostik umfasst eine strukturierte klinische Untersuchung mit Beurteilung der Achsstellung, des Bewegungsausmaßes sowie der Schmerzlokalisation [11].
- Klinische Untersuchung: Im Vordergrund stehen Belastungs- und Bewegungsschmerzen, häufig lokalisiert über dem Talus. Typisch sind Belastungsintoleranz, rezidivierende Schwellneigung und ggf. Blockierungsphänomene. Die klinische Untersuchung umfasst die Inspektion auf Achsabweichungen, Schwellungen und Gelenkergüsse sowie die Palpation druckdolenter Areale. Funktionelle Tests können schmerzauslösende Endstellungen oder Bewegungseinschränkungen aufzeigen.
- Bildgebung: Konventionelles Röntgen dient primär dem Ausschluss knöcherner Begleitpathologien und ermöglicht die Beurteilung fortgeschrittener degenerativer Veränderungen. MRT stellt den Goldstandard zur Detektion von Knorpelschäden und assoziierten subchondralen Knochenödemen dar [12]. Bei komplexeren Fragestellungen oder zur präoperativen Planung kann ein hochauflösende CT mit Dünnschichttechnik eingesetzt werden. In diagnostisch unklaren Fällen oder bei gleichzeitigem therapeutischem Vorgehen kann eine arthroskopische Exploration indiziert sein. Ergänzend kann eine Ganganalyse zur Identifikation funktioneller Fehlbelastungen herangezogen werden.
- Ganganalyse: Die instrumentelle Ganganalyse liefert zusätzliche Informationen zur funktionellen Beeinträchtigung. Auffällig sind häufig Schonhinken, asymmetrische Belastungsverteilung und Einschränkungen der Abrollbewegung. Diese Befunde korrelieren mit der klinischen Symptomatik und können zur Objektivierung des funktionellen Defizits herangezogen werden.
Diagnostik der Osteochondrosis dissecans
Die Osteochondrosis dissecans des Talus ist eine umschriebene, aseptische subchondrale Knochennekrose mit potenzieller Ablösung eines osteochondralen Fragments. Eine frühzeitige Diagnosestellung ist essenziell, um eine Progredienz zu vermeiden.
- Klinische Untersuchung: Leitsymptome sind belastungsabhängige Schmerzen, Gelenkblockierungen, Reizergüsse oder Einschränkungen der Beweglichkeit.
- Bildgebung: Bei klinischem Verdacht erfolgt initial eine konventionelle Röntgendiagnostik in zwei Ebenen. In frühen Stadien können Röntgenaufnahmen jedoch unauffällig sein [13].
Das MRT gilt als Methode der Wahl in Frühstadien und erlaubt die Beurteilung der Knorpeloberfläche sowie der subchondralen Knochenstruktur (Ödeme, Stabilität des Fragments). Eine Kontrastmittelgabe ist in der Regel nicht erforderlich, kann jedoch in bestimmten Fällen zur Abgrenzung nekrotischer Areale erwogen werden [14].
CT oder CT-Arthrografie sind in fortgeschrittenen Stadien hilfreich zur genauen Lokalisation, Abgrenzung und Beurteilung der Fragmentstabilität.
Die bildgebenden Befunde sind essenziell zur Unterscheidung stabiler, konservativ therapierbarer Läsionen von instabilen, dislozierten Fragmenten, die in der Regel operativ versorgt werden müssen. Die frühzeitige Diagnose und korrekte stadiengerechte Einordnung der OD ist somit entscheidend für den Therapieerfolg und die Vermeidung einer sekundären Arthrose [15].
Diagnostik des Tibialis-posterior-Syndroms
Das Tibialis-posterior-Syndrom stellt eine der häufigsten Ursachen für das erworbene flexible Knick-Plattfuß-Syndrom im Erwachsenenalter dar. Eine frühzeitige Diagnostik ist entscheidend, um eine Progredienz bis hin zur rigiden Fehlstellung zu verhindern.
- Klinische Untersuchung: Klinisch richtungsweisend sind belastungsabhängige Schmerzen an der Innenseite des Sprunggelenks und des medialen Fußrandes. Typische Befunde sind eine Abflachung des medialen Längsgewölbes, die „too many toes sign“ bei Inspektion von dorsal sowie eine verminderte oder fehlende Fähigkeit zum einbeinigen Zehenstand. Funktionelle Tests zeigen eine eingeschränkte Inversion und Supination im Subtalargelenk.
- Palpation: Die Palpation entlang des Sehnenverlaufs (hinter dem Innenknöchel bis zum Ansatz am Os naviculare) ist häufig schmerzhaft. Druckdolenz, lokale Schwellung oder Krepitationen können Hinweise auf eine Tenosynovitis oder degenerative Sehnenveränderung geben.
- Bildgebung: Die MRT gilt als Goldstandard zur Beurteilung des Sehnenzustands und zum Nachweis entzündlicher oder degenerativer Veränderungen. Ergänzend kann eine Röntgenaufnahme zur Beurteilung der knöchernen Achsverhältnisse und zur Darstellung eines möglichen Kollapses des Fußgewölbes durchgeführt werden [16-18].
Sonografie erlaubt eine dynamische Beurteilung der Sehne, insbesondere hinsichtlich Kaliberänderungen, Rupturen oder Synovialitis [17, 18].
Zusammenfassung
Das obere und untere Sprunggelenk stellen zentrale Funktionseinheiten für den aufrechten Gang dar, da sie die Lastübertragung des gesamten Körpers auf den Fuß gewährleisten. Diese Belastungen können nur durch das koordinierte Zusammenspiel gelenkführender Strukturen (Kapsel-Band-Apparat, knöcherne Gelenkarchitektur) sowie des neuromuskulären Systems kompensiert werden.
Traumatische Läsionen oder chronisch-degenerative Veränderungen im Bereich des Sprunggelenks erfordern eine differenzierte Diagnostik. Grundlage ist eine strukturierte klinische Untersuchung, die mit einer ausführlichen Anamnese, Inspektion des Gangbildes sowie Palpation beginnt. Ergänzend liefern standardisierte Funktionstests wichtige Informationen über die Stabilität des Gelenks und ermöglichen Rückschlüsse auf mögliche Bandverletzungen.
Bei unklaren Befunden oder zum Ausschluss/Bestätigung einer isolierten Bandläsion ist der Einsatz bildgebender Verfahren (konventionelles Röntgen, MRT, ggf. CT) indiziert, um die klinische Verdachtsdiagnose abzusichern und eine adäquate Therapieplanung zu ermöglichen.
Hinweis:
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung grundsätzlich für alle Geschlechter. Die verkürzte Sprachform beinhaltet keine Wertung.
Titelbild: Bauerfeind AG
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