Die elektronische Patientenakte (ePA) ist seit Anfang des Monats Pflicht, die Zahl der hochgeladenen Dokumente steigt. Doch nächstes Jahr könnte neuer Ärger drohen – von der E-Evidence-Verordnung der EU.
Mit der EU-Verordnung (EU) 2023/1543, bekannt als E-Evidence-Verordnung, hat man sich bisher noch wenig beschäftigt. Kein Wunder, soll sie doch erst ab August 2026 gelten. Trotzdem wirft sie schon lange Schatten voraus.
Es handelt sich um ein neues europäisches Rechtsinstrument zur grenzüberschreitenden Beweissicherung in Strafverfahren. Ziel ist es, Ermittlungsbehörden der EU-Mitgliedstaaten einen schnelleren und direkten Zugang zu elektronischen Beweismitteln zu ermöglichen. Dazu gehören E-Mails, Cloud-Daten und Kommunikationsprotokolle.
Künftig können europäische Strafverfolgungsbehörden sogenannte Herausgabeanordnungen (European Production Orders) oder Sicherungsanordnungen (European Preservation Orders) direkt an Dienstanbieter in anderen Mitgliedstaaten richten – ohne den bisher notwendigen Umweg über Rechtshilfeverfahren.
Was die Sache brisant macht: Über diesen Umweg könnte die ärztliche Schweigepflicht umgangen werden, denn gespeicherte Gesundheitsdaten in medizinischen Informationssystemen wie dem Praxisverwaltungssystem oder der ePA können unter bestimmten Umständen als elektronische Beweismittel gelten. Während Papierunterlagen in der Praxis unter das Beschlagnahmeverbot des § 97 Strafprozessordnung (StPO) fallen, gilt dies bei den extern gespeicherten ePA-Daten nicht automatisch.
Die Bundesärztekammer (BÄK) fordert daher eine gesetzliche Klarstellung, dass die Beschlagnahmeverbote der StPO auch für digitale Speicherorte gelten. Nur so könne eine „Umgehung der Beschlagnahmeregelungen in der digitalen Welt“ verhindert werden. Der Deutsche Ärztetag 2025 in Leipzig hat deshalb gefordert, dass der Beschlagnahmeschutz auf den Inhalt der ePA erweitert werden muss.
In einer Stellungnahme (Link) betont die BÄK das Szenario, dass Patientendaten ansonsten entgegen dem Willen der Betroffenen und/oder der Behandelnden zu Ermittlungszwecken herangezogen werden können. Und fordert, vor Inkrafttreten der Verordnung im August 2026 in Deutschland rechtliche Nachbesserungen vorzunehmen, um die ärztliche Schweigepflicht auch im digitalen Zeitalter uneingeschränkt zu gewährleisten.
Text: Reinhard Merz
Bild: chatGPT für arztCME